Review

Grandbrothers

All the Unknown

City Slang • 2021

Seit 2012 musizieren der Pianist Erol Sarp und der Audio-Softwareentwickler Lukas Vogel im Duo. Mit ihren Alben »Dilation« (2015) und »Open« (2017) haben die Grandbrothers eine eigene Nische im Feld der Neoklassik etabliert, irgendwo zwischen Hauschka und Nils Frahm. Auch auf »All The Unknown« steht wieder ihre Interpretation des präparierten Klaviers im Mittelpunkt, die den von Sarp gespielten Flügel mit einem selbstgebauten System elektromagnetischer Hämmer kombiniert, die Vogel mittels Computer ansteuern und manipulieren kann. Allerdings erweitern sie, wie der Titel ihres dritten Longplayers andeutet, diesmal den Radius ihrer Sound-Signatur erheblich: Galt bislang das Gebot, dass die Musik instantan entstehen müsse, haben sich Sarp und Vogel mit dieser Produktion erstmals auf Overdubs eingelassen. Die Folgen sind weitreichend: Einerseits verstärkt sich dadurch der bei Grandbrothers latent immer schon vorhandene Hang zum Schwelgerischen, der hier streckenweise geradezu die Dimension sinfonische Opulenz annimmt. Gleichzeitig eröffnet der Gebrauch von Loops und Samples dem Duo, seine Affinität zur Clubmusik nachdrücklich zu unterstreichen. Was vormals tendenziell unterschwelligen Charakter hatte, wird auf Tracks wie »Organism« und »Four Rivers« dominant – soviel Groove war noch nie. Zarte Miniaturen wie »Auberge«, »Umeboshi« oder die an Steve Reich erinnernde Phasing-Studie sorgen dafür, dass diese Entwicklung nicht als eindimensional missverstanden wird, ein durchweg spürbares, hymnisch gestimmtes Pop-Feeling und eine kinematische Grundstimmung dafür, dass »All The Unknown« trotz der Verschiebung in der Gewichtung der Parameter und Erweiterung der Klangpalette in unterschiedlichen Richtungen als kohärentes Album wahrgenommen wird.