Review

Spellling

The Turning Wheel

Sacred Bones • 2021

Aufgepasst, die Band beginnt! Klavier, Bass, Schlagzeug, eine Wagenladung Streicher, später kommen Perkussion und ein üppiger Bläsersatz hinzu. Chrystia Cabral alias Spellling hat sich auf ihrem dritten Album von einer Solotüftlerin zur Bigbandbändigerin gewandelt. Und was auf ihrem Debütalbum „Pantheon of Me“ von 2017 noch skelettierte Fragmente waren, sind hier voll ausgewachsene Songs. Gebilde allerdings, die allerlei wunderliche Triebe sprießen lassen. Dass ein Song so und so beginnt, heißt bei Spellling keinesfalls, dass es dabei bleibt. Aus R&B wird bei ihr ein Varieté, in dem verschiedene Epochen ebenso wie Stile, die erst einmal weniger direkt mit ins Programm gehören, ihren Auftritt bekommen. Das können abrupte Richtungswechsel sein, oder sie schichtet ihre Zutaten kompakt in ein und derselben Nummer. Eine ihrer Vorlieben, die auf dem Album »Mazy Star« von 2019 besonders zur Geltung kam, sind die kalten Ecken der Achtziger. Auf »The Turning Wheel« sind die ebenfalls vorhanden, doch integriert Spellling sie eher als isolierte Elemente, verwendet im einen Stück einen archaischen Drumcomputer, im anderen einen schroffen Synthesizer, der im Hintergrund für Irritation des ansonsten warmen Arrangements sorgt. Denn die Songs von Chrystia Cabral sind zugänglich, umschmeicheln einen mit ihren Melodien. Dass oft noch eine leicht unheimliche Ebene hinzukommt, merkt man erst mit etwas Verzögerung. So richtig weiß man nie, wo sie einen überall mit hin nimmt, leicht esoterische Neigungen sind bei Spellling nicht ausgeschlossen. Doch wenn sie ihr Anliegen mit einer so unschuldig hohen, bei Bedarf andererseits erstaunlich tiefen Stimme vorträgt, ist es völlig okay, von ihr »woandershin« gebracht zu werden, weit, weit draußen.