Review

Charalambides

Exile

Kranky • 2011

Mitte des letzten Jahrzehnts hatte Christina Carter plötzlich ihren Durchbruch und wurde kurzerhand zur Stimme (in doppeltem Sinne: also zur Repräsentantin als auch zum herausstechenden Organ) einer »weird« genannten Folkbewegung, die traditionelle amerikanische Musik mit Elementen des Psychedelischen verband. Nicht ganz zufällig, hat doch ihre Stimme jene magische Beschaffenheit, Kümmernisse und Verlust und Kämpfe, also jene Ingredienzen aus denen seit jeher Blues und Folk gemacht ist, in die Jetztzeit zu übertragen. Auf Likeness, dem letzten Album der Charalambides (zu denen neben Christina Carter in erster Linie noch ihr Ex-Mann Tom Carter gehört) wurden z.B. traditionelle Texte amerikanischer »Volksmusik« genommen und gespiegelt, verzerrt, aktualisiert. Doch diese Transformation von Tradition in die Moderne ging nicht einher mit einem Hektik, Flimmern, Mobilität, Reize, Gedränge abbildenden Sound, sondern mit dessen Gegenteil: Minimalismus und totale Entschleunigung. Dieses seit nunmehr 20 Jahren erprobte Verfahren (auf unzähligen LPs, EPs, Compilations und CD-Rs erprobt) wird nun auf Exile zur Perfektion gebracht. Erstes Indiz: Hatten Tom und Christina Carter sonst Alben in einer Nacht aufgenommen, haben sie nun fünf Jahre gebraucht. Jede Note, jedes Feedback, jeder Twäng sitzt. Wer auch nur einen Hauch Ahnung von minimaler Musik hat, der kann sich vorstellen, dass bei der Verwendung von wenigen Tönen, Dinge wie Genauigkeit, Platzierung, Lautstärke etc. umso entscheidender werden. Hier passt alles. Into The Earth schichtet Gitarrenspur um Gitarrenspur und erinnert an Mark McGuire (abzgl. dessen Kenntnisse der Funktionsweise elektronischer Musik). Words Inside verdichtet übereinander liegende Gesänge zu einem mythischen Selbstgespräch. Dann hört man mitunter nichts weiter als ein paar angeschlagene Gitarrensaiten und die Stimme von Christina Carter wie auf Wanted To Talk. Diese 71 Minuten, nimmt man nicht so im Vorbeigehen mit. Die Charalambides führen dich in eine ganz eigene Welt. Der Zugang ist nicht leicht, aber lohnt sich.