Review

Dan Charnas

The Big Payback

New American Library • 2011

Wenn das nächste Mal eine große Diskussion über Sell-Out startet; wenn die Credibility eines weißen MC in Frage gestellt wird; wenn von Realness und dem golden Zeitalter geträumt und die Flachheit verpönt wird, dann bedenkt eins: ALL DAS ist Hip Hop. Diese Widersprüche sind seine Essenz und Antrieb. Rap-Musik ist grau. Und Dan Charnas sagt warum.
In seinem Buch The Big Payback – The History Of The Business Of Hip-Hop stellt er die naive Frage, wie diese Straßenmusik aus der Süd-Bronx/Harlem sich zu einer milliardenschweren globalen Industrie entwickeln konnte. Und gibt die schlichte Antwort: Es war kein Zufall. Was so nichtssagend klingt, dekliniert der ehemalige Head of Rap Department von Rick Rubin’s Def American Recordings auf 660 Seiten in einer Achterbahnfahrt durch Musiklabel, Radiostationen, Musiksender und Rechtsanwaltskanzleien durch.
Da ist das wortwörtliche HipHop-Startup Sugarhill Records, dem es nie um irgendeine Kultur ging. Mitbegründerin Sylvia Robinson führte bereits 1981 das ein, was 20 Jahre später den Hip Hop dominieren und spalten würde: »Bling Bling« bis zum Exzess. Da sind die Medien, die Rap von Anfang an den Rücken zuwenden – bis 1987 ein paar weiße Ex-Punks ein paar Millionen damit verdienen. Da sind die schwarzen Radiostationen, die ihre eigene Kultur ignorieren und sich im R&B einkuscheln. Da ist eine amerikanische Musikindustrie, welche die Rassentrennung zelebriert, Guns N’ Roses »Niggers and faggots get out my way« singen lässt, während Public Enemy Rassismus vorgeworfen wird und Body Counts Cop Killer sogar hochrangige Politiker auf den Plan ruft. Da ist die Kultsendung Yo! MTV Raps, die bezeichnenderweise bei MTV Europa entwickelt wurde. Da sind die unzähligen Gerichtstermine und Hinterzimmer-Gespräche, bei denen es bereits in den ersten Jahren um Millionenbeträge geht. Da sind aber auch ein paar weiße Nerds wie Rick Rubin, Tom Silvermann, Rick Cummings und Paulette Williams oder ein paar eigensinnige, clevere Kinder der Civil Rights Ära wie Chuck D., Bill Stephney, Russel Simmons und RZA, die mit der besten Mischung, die einer Idee passieren kann, Rap an die Spitze katapultieren – Leidenschaft, Hartnäckigkeit und dem klaren Ziel, viel Geld damit zu verdienen.
Dan Charnas, der selbst viele Jahre Teil dieser chaotischen und determinierten, zerrissenen und gemeinschaftlichen, durch Freundschaften und Intrigen getriebenen Industrie war, nimmt HipHop an seiner empfindlichsten Stelle auseinander, ohne ihn zu demontieren. Am Ende bleibt dennoch die Erkenntnis, dass Gangsta Rap weniger Produkt der Straße als vielmehr Spiegel der Chef-Etage ist. Wir werden mit den Widersprüchen leben müssen.

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