Review

Bernard Parmegiani

L’Œil écoute/ Dedans-Dehors

Recollection GRM • 2012

Unmittelbar nach der Gründung trat Bernard Parmegiani 1959 der von Pierre Schaeffer ins Leben gerufenen Groupe de Recherches Musicales (GRM) bei. Jener Gruppe von Komponisten, die sich für eine von den traditionellen Instrumenten und ihren Klängen losgelösten »musique concrète« aussprachen, aber auch die elektro-akustische Musik vorantrieben und denen Editions Mego seit letztem Jahr ein eigenes Sublabel widmet. Die dritte Veröffentlichung von Recollection GRM präsentiert zwei längere Stücke von des 75-jährigen Komponisten Parmegiani, der als einer der wichtigsten Vertreter der Akusmatik (Klänge, deren Herkunft nicht identifizierbar ist) gilt. Das Stück »L’Œil écoute« (dt. in etwa: »das Auge hört«) ist 1970 entstanden und ursprünglich Teil eines gleichnamigen Videos. Die Klänge sind hier am Anfang sehr konkret: Züge rattern, Bienen summen, die Radiosender werden verstellt; bis hierher kann man noch aus der Erfahrung schöpfen. Nach einem Drittel driftet das 19-minütige Stück (auf einer CD aus dem Jahre 1997 ist eine Version von 25 Minuten zu hören, was ist mit den 6 Minuten passiert?) in unbekannte Welten. Von nun an wird der Hörer allein gelassen, muss sich eigene Bilder schaffen, das Hören neu erlernen. »Dedans-Dehors« auf der zweiten Seite ist aus dem Jahre 1977 und kontrastiert in 22 Minuten natürliche mit artifiziellen Sounds. Man hört mehr oder weniger eindeutige Bezüge zu den Elementen Wasser, Feuer, Erde und Luft, dargestellt als natürliche Metamorphose, flüssig, fest, gasförmig in einer Bewegung. Dazwischen zwitschern Vögel. Das ist in etwa so als würde der Phoenix bei Sonnenaufgang in der Glut der Morgenröte verbrennen, um dann aus seiner eigenen Asche wieder aufzuerstehen. »Dedans-Dehors« ist pure Mythologie und bezieht genau daraus seine Kraft. – Ein Glück, dass diese Musik nun re-mastered wieder auf Vinyl erhältlich ist.