Review

Marissa Nadler

July

Sacred Bones/Bella Union • 2014

Marissa Nadlers sechstes Album ist eleganter, atmosphärischer Folk/Americana mit leicht geisterhafter, spukiger Stimmung (durch verwehte Chöre und schattige Mollakkorde). Somit steht sie in einer Tradition mit Leonard Cohen und Joni Mitchell, nur eben um diese sachten Einsprengseln von Gothic-Elementen ergänzt. Auf »July« erklingen elf neue Songs, die wie verblichene, sepia-farbene Fotografien wirken, die auf den ersten Blick sonnendurchflutet und nahezu einlullend harmonisch aussehen, aber auf denen im Hintergrund eben auch stets eine verschwommene Figur für diffuses Unbehagen sorgt. Zu verdanken ist das sicherlich auch dem Produzenten Randall Dunn (Earth, Sunn O))), Akron/Family), der die Folk-Ansätze meisterhaft mit der bedrohlichen Stimmung von Doom-Metal zu verbinden weiß. Marissa Nadlers seit jeher dunklen Texte sind noch immer durchzogen von leeren Herzen, verflossenen Lieben und einsamen Menschen, fehlgeleiteten Begierden und dem grundsätzlichen Gefühl der Verlorenheit. Sie machen »July« so intensiv und intim. Zart und verletzlich (und dadurch dem Klischee der ach so schwachen, dafür umso gefühliger trällernden Musikerin entsprechend) inszeniert sich Nadler glücklicherweise nur vordergründig. Immer wieder setzt sie trotzige Widerworte (»I’d rather watch crime TV than see you again« aus »Holiday In«) und dreht Schuldzuweisungen (und damit Täter/Opfer-Zuschreibungen) geschickt um. Als starker Mensch ist sie sich eben auch ihrer Verletzlichkeit bewusst.