Review

Stine Janvin Motland

In Labour

Pica Disk • 2014

In einer geschäftigen Lagerhalle sitzt versteckt ein kleines verfrorenes Wesen und »jiepert« nach dem Salzleckstein: Das erste Stück. Was ist hier los? Nach dem letztjährigen Killeralbum »Ghil« der Cellistin Okkyung Lee ist Lasse Marhaugs Konzept, eine Musikerin an diverse Orte seiner norwegischen Heimat zu bringen, um deren radikale Kunst mit jenen reagieren zu lassen, ein großes Versprechen. Stine Janvin Motland löst es ein – mit ihrem ersten Soloalbum. Bis wir am Ende, im Quasi-Titelstück, ihre Stimme endlich in voller Kraft ein bellendes Hunderund umarmen hören, hat sie unsere Vorstellung, was eine Vokalistin ist oder tut, gehörig umgekrempelt. Ihre Artikulationen, oft hybrider Natur und auch deshalb mit Begriffen wie Schmatzen, Schnattern, Gackern, Jaulen, Knarren oder Röcheln nur unzureichend zu beschreiben, schmiegen sich in die von Marhaug sehr greifbar eingefangenen Umgebungen: Betriebsräume, Straßenszenen, Volieren, sogar das Spiel einer Band, als wären sie ihr natürliches Habitat. Und werden in ihnen beredt. Nicht immer scheint es ihnen darin gut zu gehen. Aber etwa wenn Motland akustische Texturen vervollständigt, Specht und Taube (in Personalunion) an den Vogelkäfig trägt, oder einen Drucklufthammer als zirpendes Insekt ins Gebüsch setzt, dann trifft ihr Humor ins Schwarze. Ein möglicher Grund dafür, dass je verblüffender die Klänge scheinen, die sie hervorholt, umso menschlicher sie anrühren.

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