Review

Conrad Schnitzler

Gelb

Bureau B • 2014

Auf »Gelb« lässt Conrad Schnitzler zum ersten Mal die große Form hinter sich – und die von ihm bis dahin bevorzugten programmierten Prozess. Die Miniaturen aus den Jahren 1973 und 1974 zeigen Schnitzler beim Erproben neuer elektronischer Strategien, in denen auch von Hand gespielte Melodien vorkommen dürfen. Ausufernde Prog-Rock-Dudelweisen braucht man bei ihm allerdings keine zu befürchten, der immer etwas abweisend-spröde Schnitzler hat sich beim Improvisieren auf den Tasten stark unter Kontrolle. Was »Gelb« so faszinierend macht, sind die oft über den klanglichen Horizont der frühen Siebziger hinausweisenden Experimente mit mehr oder minder abstrakten Flächen, die Ansätze von Ambient, IDM oder gar Techno vorwegnehmen, ohne dass man die Stücke auf ein spezifisches Genre reduzieren könnte. Die Schnitzler-typischen monotonen Rhythmen finden sich hier ebenso wie Field Recordings (Wasserplätschern mit Möwengeschrei), ansatzweise Sphärisches oder unheilschwanger-kaputter Futurismus, der in Richtung Detroit weist. Ein wenig Drone lässt sich ebenfalls heraushören, von zarten Melodien umspielt statt monumental, doch kein bisschen süßlich. Eine Entdeckungsreise, die bis heute spannend geblieben ist.

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