Review

Prurient

Frozen Niagara Falls

Profound Lore • 2015

Als Vatican Shadow lässt der Hospital Productions-Gründer Dominick Fernow das Konzept über der Musik stehen, das heißt: die militante Ästhetik und ihr politisches Potenzial erhalten mehr Aufmerksamkeit als ihre formale Umsetzung. Auch mit seinen Arbeiten als Prurient schien es der New Yorker bisher weniger darauf abzusehen, qualitativ hochwertige Musik abzuliefern und versteigerte sich lieber in eine sture Underground-Haltung rein. Eine gut dreistellige Anzahl von Releases veröffentlichte Fernow unter dem Pseudonym, meist in Kleinstauflagen für ein entsprechend vorselektiertes Nerdpublikum. Für »Frozen Niagara Falls« hat er sich allerdings – relativ gesprochen – viel Zeit gelassen: Während Vatican Shadow-Fans gefühlt alle drei Monate neue LPs in das Fernow-Fach ihres Expedit-Regals schieben konnten, liegt die letzte Solo-LP unter dem Prurient-Alias ganze zwei Jahre zurück. Das dürfte vor allem daran liegen, dass die 16 Tracks wesentlich ausgefeilter, um nicht zu sagen musikalischer ausgefallen sind. Über anderthalb Stunden Spielzeit verabschiedet sich Fernow zwar nicht von seinem Harsh Noise-meets-Industrial-meets-Post-Punk-Ansatz, öffnet sich jedoch zeitgleich für andere Stile und – Schockschwerenot! – sogar Melodik. Dass jemand wie Fernow eines Tages ein bisschen Akustik-Gitarren-Schmalz über sein sprödes Sounddesign schmieren würde, war nun wirklich nicht zu erwarten. Zwar dominieren immer noch frostige Synthies, garstiges Knuspern, hölzerne Drummachines und Fernows verzerrtes Geschrei das Klangbild, es fällt aber definierter und abwechslungsreicher aus als auf vielen seiner vorigen Releases. »Frozen Niagara Falls« ist als innerlich zwar disparates, im Gesamten aber stimmig ausgefallenes Album ein gelungener Kompromiss zwischen Haltung und Musikalität zu verstehen.

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