Review

Nils Frahm

Late Night Tales

Late Night Tales • 2015

Jamie XX Dan Sanith oder Nils Frahm – wer ist eigentlich der schwiegersöhnlichste Schwiegersohntyp der Musiklandschaft? Alle drei haben den netten Dude von Nebenan wieder in den Mainstream getragen und wichtiger noch einen Rundumeklektizismus salonfähig gemacht, der wenig Scheu vor ungewöhnlichen Paarungen hat. Frahm zum Beispiel ist sich nicht zu schade, auch mal eine Klobürste in seine Live-Sets einzubauen oder ewig lange, vor Selbstironie triefende Anekdoten zwischen den Stücken auszuplaudern. Immerhin scheint er seinen Konkurrenten Dan und Jamie insofern eine Nasenlänge voraus zu sein, als dass er als erster einen Beitrag zur Late Night Tales-Serie abliefern darf. Das Coffee-Table-Book unter den Compilations repräsentiert genau das, wofür Frahm und Konsorten mit Auftreten und Musik einstehen. Eklektische Harmlosigkeit, die für loungigen Feierabendeskapismus zurechtgeschnitten wird und ihre Smartness gerne in Bescheidenheit kleidet. Schon der Blick auf die Trackliste liest sich wie der Plattenschrank eines kulturell überinteressierten Weltbürgers: Four Tet Miles Davis, Boards Of Canada, Nina Simone, Colin Stetson, Bach-Interpretationen, Ballroom-Sounds und natürlich Frahm selbst, der das erste wirklich geschmackvolle Cover von John Cages zum musikhistorischen Treppenwitz mutierten Stück »4‘33‘‘« abliefert. Das eben ist diese handselektierte Compilation durch und durch: geschmackvoll. Es gibt zwischen Dub und Jazz keine Aussetzer, keine Ecken und Kanten, höchstens die am Schluss verlesene Kurzgeschichte nervt ein bisschen. Ansonsten sind Frahms »Late Night Tales« ein kleines melancholisch angehauchtes Bildungswerk, das seine Funktion als musikalisches Ambilight prächtig erfüllen wird. Das war vom schwiegersöhnlichsten aller Schwiegersohntypen aber doch zu erwarten, oder? Und ist, wenn wir mal ehrlich sind, fast schon wieder langweilig, weil gekonnt auf ganzer Linie.