Review

Reiner Witzel & Datfunk

Steppin’ Up

Unique • 2016

Wie können instrumentaler Jazz und Funk im digitalen 21.Jahrhundert zeitgemäß bleiben? Vom futuristischen Post-Dilla-Sound eines Robert Glasper über den Multi-instrumentalen Library-Ansatz von Shawn Lee bis hin zum florierenden Dialog, den Labels wie Truth & Soul oder Mocambo mit Hip-Hop und Rare Groove führen, sind die Antworten, die Musiker auf diese Frage finden, so vielfältig wie die Genres selbst. Doch auch wenn gerade Jazz per se von Innovationen und Ideen lebt, zeigte Kamasi Washington erst letztes Jahr auf seinem »The Epic«, dass auch ein traditionelles Fusion-Album eine breite Masse jenseits der eingeschworenen Szene für sich begeistern kann. Einen ähnlichen Mix aus Tradition und Zugänglichkeit schafft auch Reiner Witzel—seines Zeichens einer der besten Jazz-Saxophonisten und Jazz-Flötisten der Bundesrepublik—auf seinem neuen Album »Steppin‘ Up« gemeinsam mit dem Athener Trio Datfunk. Die akademischen Free-Jazz-Experimente der letzten 50 Jahre werden hier beiseite geräumt, um Platz zu schaffen für eingängige Melodien, elegante Solos, Moog-Vibratos, die Gänsehaut verheißen und schlicht und einfach höchste Handwerkskunst an den Instrumenten. Ununterbrochen muss ich mich bei »Steppin‘ Up« vergewissern, dass ich nicht doch zu irgendeinem Eddie Harris-, Grover Washington- oder einem früheren Coltrane-Album geshufflet bin. Diese Zeitlosigkeit kann man kritisieren, man kann sich aber auch einfach zurücklehnen und genießen—schließlich ist Zeitlosigkeit im Zeitalter der postmodernen Pastiche ja auch irgendwie zeitgemäß.