Welches einstige Public Enemy-Mitglied ist heute Straußenzüchter? Auf welchem Sample basieren vermutlich 90 Prozent sämtlicher Jungle Tracks? Welche Soul-Diva bekam Ärger, weil sie auf dem Dealey Plaza in Dallas – am Tatort des Kennedy-Attentats – für ein Musikvideo blank zog? Und wie zur Hölle kam es dazu, dass Solomon Burke bei einer KKK-Versammlung auftrat?
Die französischen Comic-Künstler Brüno und Hervé Bourhis wissen es. Was sie nicht wussten, brachten sie irgendwie in Erfahrung. Beim Hören von Platten und Lesen von Liner Notes, im Austausch und im Nerd Talk– zunächst, so scheint es, für sich selbst. Weil ihr gemeinsam herausgegebenes, wunderschön editiertes Nachschlagewerk »Black & Proud« mit jeder Seite deutlich macht, dass ihr Fan-Herz noch Neugierde kennt und rhythmisch im Takt der Spielarten der sogenannten Black Music schlägt. Das Buch trägt den Untertitel »Vom Blues zum Rap«. Es thematisiert afroamerikanische Musik von 1945 bis 2015, vorrangig Blues, Soul, Funk und Hip Hop. Jazz klammern sie weitestgehend aus. Der, so erklären sie im Vorwort, würde eh ein eigenes Buch verdienen – und den gesetzten Rahmen deutlich überstrapazieren.
Der Rahmen sieht pro Jahr eine Doppelseite vor. Auf der linken Seite stellen Brüno und Bourhis stets ein wichtiges Stück Musik vor. Ein Album oder einen einzelnen Song, den sie ausführlicher unter die Lupe nehmen, inkl. originalgetreuer Illustration des Coverartworks. Auf der rechten Seite setzen sie es kurz in Bezug auf ein anderes Werk. Und nutzen den verbleibenden Raum für Anekdoten über andere Musiker, Songs, popkulturelle Strömungen und gesellschaftliche Entwicklungen, die sie als besonders erwähnenswert empfinden und anhand derer sie zeitgeistige und musikhistorische Zusammenhänge knüpfen – und mit gekonnten Illustrationen und Typographien äußerst ansehnlich aussehen lassen.
»Black & Proud« ist ein höchst infektiöser Lesestoff und Infotainment im Besten Sinne. Hier wird kein enzyklopädisches Wissen per Von-oben-herab-Gestus doziert, sondern Fandom bezeugt, einhergehend mit umfangreichem Anekdotenwissen, inkl. Mut zur Lücke. Dargeboten wird es in mit Enthusiasmus und meinungsstarken Bonmots, weswegen man sich beim Lesen sofort heimisch und einbezogen fühlt – nicht allerdings, wenn man (ursprünglich) schwarze Spielarten wie House und Detroit Techno als musikalische Wahlheimat hat. Diese Genres werden angerissen, aber derart stiefmütterlich behandelt, dass man es gleich hätte bleiben lassen können. Dennoch wird man bei der Lektüre immer wieder zur nächsten Seite verführt – und permanent mit Stichworten ausgestattet, die zur weiterführenden Recherche anstacheln.
Black & Proud - Vom Blues Zum Rap