Review

Felix Kubin

Chromdioxidgedächtnis

Gagarin • 2014

Erst einige Wochen ist es her, dass Felix Kubin wieder einmal in seine Schatzkiste jugendlicher New-Wave-Experimente blicken ließ. Deren mediales Zuhause selbst, die Audiokassette, schlüsselt er nun in einem keineswegs weniger unterhaltsamen Paket aus CD und MC auf: als Klanggedächtnis mit einhergehender Klangwelt. Schon in den kunstvoll gezausten »Historischen Aufnahmen«, als Hör- und Lesestück-Gesamtkunstwerk ein unbedingter Höhepunkt seines Katalogs, zeigte sich sein Interesse an medialen Materialitäten, die hier, in der mit Ninon Gloger und Steve Heather umgesetzten Komposition »Chromdioxidgedächtnis« für Klavier, Schlagwerk, Elektronik und nicht zu vergessen Tapes Musikwerdung erfahren, von Gleichlaufschwankung und Übersprechen bis zu Spul- und Tastengeräusch. Bevor man dort, beispielsweise über Bezüge zu György Ligeti-Kontinua sinnierend, allzu tief in abstrakten Wergo-Welten zu versinken droht, bricht immer wieder gelebtes Leben durch. Und zwar in Form von Preziosen aus dem eigenen Archiv, die sich im Bonus-Tape eine zusätzliche Dreiviertelstunde lang austoben dürfen: Von Radiomoderations-Glitches über Musikpost an die Oma bis Klangbibliotheks-Knospen ist alles dabei, was garniert mit allfälligen elektronischen Vignetten Kurzweil bereitet. Ein mentaler Strudel, dessen musikalisch arrangierter Flow immer Halt bietet, aber in Sachen beiläufiger Transformation zu Kunst kaum mithalten kann mit der übrigen Viertelstunde, in der Wim Langenhoff aus dem Nähkästchen seiner langjährigen Arbeit im Philips-Tape-Labor erzählt, und in dessen charmanter Kauzigkeit man noch den ehemaligen Aktionskünstler zu ahnen meint. Letzte Reste einer Mauer zwischen E und U reißt schließlich das seriöse Booklet ein, dessen Orientierung über Geschichte und Kontext des Themas wir dankbar aufnehmen, um dann doch nachts vom Frequenzbereich der Ohren junger Damen zu träumen.

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