Cuneiform Tabs haben sich gefunden, damit wir vergessen können, wo wir sind

06.06.2025
Foto:© W.25TH

Ihr Sound oszilliert zwischen Harmonie und Dissonanz, ihre Songs agieren als Gestaltwandler: Das Duo Cuneiform Tabs entzieht sich auf seinem zweiten Album Age jeder Zuordnung. Da ist Lo-Fi, da ist Psychedelic, da ist Indie, da ist Pop, da wird's experimentell. Nie zu gleichen Teilen, versteht sich. Und stets aus dieser Zwischenwelt abgezweigt.

8.000 Kilometer Distanz: keine hervorragenden Voraussetzungen, um gemeinsam Musik zu machen. Aber auch keine unmöglichen. Und wieso nicht aus der Distanz eine Tugend machen? »Wir beide arbeiten vor allem mit Tapes«, sagt Sterling Mackinnon. Der 40-Jährige lebt in London, sein Partner Matt Bleyle, mit dem er das Duo Cuneiform Tabs bildet, in der Bay Area in den Vereinigten Staaten. Was tun? »Ich nutze einen Tascam 414 Portastudio, Matt besitzt ebenfalls einen, manchmal nutzt er auch einen Tonbandrecorder.« Dann wird digitalisiert und geschickt und gearbeitet. Bis sie beide zufrieden sind. Was mal länger, mal kürzer dauert.

Vor über zwanzig Jahren lernten sich Mackinnon und Bleyle kennen. Auf einer Hausparty in einem Keller auf Bainbridge Island. »Wir spielten in ziemlich prätentiösen, aber interessanten und auch lustigen Bands für unser Alter.« Jahre später trafen sie sich wieder, als sie beide bei Amoeba Music in San Francisco arbeiteten – einem der größten Plattenläden der Welt. Bleyle fragte, ob Mackinnon nicht Lust habe, Bass bei einem Projekt zu spielen. Seitdem arbeitetet das Duo in verschiedenen Konstellationen zusammen. Man versteht sich auf kurzem Weg. »Das macht es möglich, so ein Projekt aus verschiedenen Ländern zu bewerkstelligen.« So ein Projekt ist in diesem Fall Cuneiform Tabs.

Im vergangenen Jahr erschien das Debüt, dieser Tage folgt bereits der zweite Langspieler mit dem Titel Age. Es ist eine spannende wie irritierende Platte, was an ihrer Ästhetik wie an ihrem Aufbau liegt. Ihre zehn Songs sind störrisch harmonisch und harmonisch störrisch. »Die erste Platte war eher ein beiläufiges Experiment, das wir über einen Zeitraum von 18 Monaten oder so zusammenstellten«, sagt Mackinnon. »Aber als sie fertig war und veröffentlicht wurde, erkannten wir, was in dem Projekt steckte.« Das in San Francisco ansässige Label W.25TH sprach das Duo an. (Jenes Sublabel von Superior Viaduct, das auch die umjubelte Platte Diamond Jubilee von Cindy Lee auf Vinyl herausbrachte.) Die Gespräche motivierten Matt Bleyle und Sterling Mackinnon. Das zweite Album entstand innerhalb weniger Monate.

Interkontinentales Desorientierungs-Duo

Cuneiform Tabs sei dabei die logische Entwicklung aus ihren bisherigen Zusammenarbeiten. »Für mich klingt es wie ein verfeinerter Auswuchs von Dingen, die wir in der Vergangenheit ausprobiert haben, aber bei denen wir einfach ein bisschen besser geworden sind. Wir versuchen immer, etwas zwischen Songcraft, Noise und Drone-Experimenten zu finden.« All dies habe bei Cuneiform Tabs ein solides Konzept: Lo-Fi-Melodik, die auseinanderfällt und sich wieder zusammensetzt, wie es Mackinnon beschreibt.

Die Einflüsse auf ihre Arbeit sind entsprechend weit gefächert: »Brian Eno hatte einen großen Einfluss auf die Sachen, die ich in das Projekt eingebracht habe«, so Mackinnon. »Faust ist ein weiterer großer Teil der gemeinsamen Basis von Matt und mir. Viele Sachen auf Recommended Records. Flaming Tunes. Ich habe eine Schwäche für diesen Grenzbereich zwischen dem, was man in den 70ern Prog und Art Rock nannte.« Was Sinn ergibt, wenn man es liest. Beim ersten Hören von Cuneiform Tabs würde man hingegen kaum daraufkommen. »Die LP ‘Goodby Sunball’ von Michael Yonkers wurde viel diskutiert, als wir ‘Age’ machten. Was zeitgenössische Sachen angeht, bin ich ziemlich begeistert von allem, was in den letzten zehn Jahren in Göteborg passiert. Also vieles, was bei Förlag För Fri Musik oder Mamma’s Mysteriska Jukebox erschienen ist.« Chris Gunn und Lavender Flu kommen als weitere Einflüsse hinzu.

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»Ich habe früher Musik gemacht, weil ich mich so am liebsten mit meinen Freunden getroffen habe.« Musik wurde für Mackinnon bald auch zu einer Art introspektiven Übung. Und Cuneiform Tabs liegt genau dazwischen. »Ehrlich gesagt bin ich eigentlich immer in der Stimmung, etwas zu schaffen. Ich verbringe einen Großteil meines Tages damit, mir die laufenden Arbeiten anzuhören und darüber nachzudenken, was ich mit ihnen anstellen werde, wenn ich wieder in meinen Studioraum zurückkehren kann.« Und die Wirkung ihres Sounds auf das Publikum? Wollen sie nicht vorschreiben. »Ich schätze, das Beste, was ich mir erhoffen konnte, war irgendeine Art von somatischer oder unterbewusster Reaktion, die einer Person helfen könnte zu vergessen, wo sie ist.« Mit einem Sound, der aus dem Tag und aus der Nacht trägt. Dahin, wo die Gedanken sich verwirren.

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