Ich bin riesiger Britpop-Fan – freue mich wie ein kleines Kind über die Oasis-Reunion und vergöttere Damon Albarn –, doch habe letztens noch mit befreundeten Musikjournalisten darüber geredet, dass mir der Zugang zu Pulp früher schwerfiel. Mag daran liegen, dass ich oft ein Problem mit bewusst humorvoller, übermäßig cleverer Popmusik hatte und eher die rotzige Direktheit der Gallagher-Brüder präferierte. Doch heute finde ich die genreprägenden Klassiker von Pulp natürlich großartig: His ’n’ Hers (1994), Different Class (1995), This Is Hardcore (1998). Komplett überragend.
More – das neue Comeback-Album von Pulp – ist ihr erstes seit 24 Jahren und allein dadurch ein big deal. Schon der Titel verdeutlicht, welchen Ansatz die britische Band hier gewählt hat: Die Platte ist schlichtweg mehr von Pulp und klingt genau so, wie man sich ein Pulp-Album vorstellt. Genau der richtige Move für eine wiederkehrende Band dieses Kalibers; die Fans wollen schließlich keine Neuerfindung, sondern an die Brillanz alter Schaffensphasen erinnert werden. Vom drückenden Synth-Pop des Openers »Spike Island« bis zu eleganten Crooner-Momenten, die an Bryan Ferry erinnern, sind hier alle Facetten der Gruppe vertreten. Extrem britisch, immer und in jeder Sekunde, die Stakkato-Viertel in »Grown Ups« erinnern an The Kinks und damit an die britischsten aller Britpop-Vorreiter.
Dazu liefert Frontmann Jarvis Cocker originelle Themen, bei denen man sich fragt, wie er es schafft, diese in poppige Songs unterzubringen – ohne jemals preachy zu wirken. Die grandiose Single »Got to Have Love« ist clever, am Ende aber eine simple Ode an die Liebe; »Tina« ist ein unpeinlicher Kommentar auf die Digitalisierung von Dating; der wundervolle Closer »A Sunset« lässt sich als Statement darüber lesen, dass die schönsten Dinge der Welt dafür benutzt werden, Geld zu verdienen. Gleichzeitig erzählt Jarvis Cocker, der Weltuntergang sei vielleicht doch nur ein Sonnenuntergang. Etwas, das halt passiert. Danach geht’s weiter. Mit mehr Leben, mehr Musik, mehr Pulp.
Sein Alter steht dem 61-jährigen Jarvis Cocker gut (»You stress about wrinkles instead of acne«), gleichzeitig singt er weiterhin über sein altbekanntes Lieblingsthema: »My Sex« heißt einer der Songs, die besten Lyrics aus »Got to Have Love« lauten »Without love, you’re just jerking off inside someone else«, an anderer Stelle geht es ums Single-Sein. Die Zeile »Everybody wants to grow up« wird irgendwann zu »Nobody wants to grow up« – wenn du nicht erwachsen werden willst, dann lass es halt.

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