Für die Die-Hard-Fans von Grateful Dead, die sogenannten »Deadheads«, gab es kaum ein größeres Ereignis als eine Live-Performance des legendären »Dark Star«. Der Song war selten Teil der Setlist, aber wenn die Band ihn spielte, wurde aus dem unscheinbaren, dreiminütigen Original von 1968 ein monumentales Improvisationsvehikel. Die längste bekannte Version dauert 46 Minuten – ein psychedelischer Trip durch Zeit und Ton.
Als Remix noch kein eigenes Genre war, entwickelte der kanadische Komponist John Oswald Mitte der 1980er-Jahre ein Verfahren namens Plunderphonics: ein künstlerisches Re-Assemblieren existierender Musik durch Sampling, Layering und radikale Bearbeitung. In den 1990er-Jahren beauftragte ihn das Label der Grateful Dead mit einer Neuinterpretation von »Dark Star«. Über 100 Live-Mitschnitte aus den Jahren 1968 bis 1993 dienten als Material für ein ebenso konzeptuelles wie klanglich opulentes Projekt: Oswald zerschnitt, dehnte, überlagerte und collagierte Fragmente der Performances zu einem über 105 Minuten langen Werk – verteilt auf sechs LP-Seiten.
Das Ergebnis: Grayfolded – eine interstellare Space-Rock-Sinfonie, in der sich konkrete Riffs und Licks von Jerry Garcia mit Drones, Ambient-Flächen und Feedback-Stürmen verbinden. Oft erkennt man den Song kaum, dann blitzt plötzlich eine vertraute Melodie auf. Es geht hier nicht um das Dokumentieren eines Moments, sondern um das Verdichten eines Mythos. Grayfolded ist eine Zeitreise durch kollektives Bewusstsein, das mit jeder Note ein Stück weiter in psychedelische Parallelwelten abdriftet.

Grayfolded