Label Watch: Gondwana Records

08.04.2021
Als DJ und Musiker wurde Matthew Halsall zum Labelbetreiber. Ausgehend von einem lokalen Fokus auf die Jazzszene Manchesters hat der Trompeter seinem Label Gondwana mittlerweile eine recht internationale Ausrichtung gegeben.

»Eine Heimat für gleichgesinnte, verwandte Seelen« habe er im Sinn gehabt, als 2008 die Geburtsstunde für Gondwana Records schlug, sagt Matthew Halsall »Jazz aus der meditativ-spirituelle Welt, zeitgenössischerer Modern Jazz, Neo-Klassik, Ambient und Electronic-Crossover sind unsere Stärken«, umreist der Trompeter, Komponist und Bandleader das Profil seines Labels. »Aber wir haben auch einige Sachen veröffentlicht, die darüber hinausgehen, und auf die wir wirklich stolz sind – Allysha Joy, Noya Rao, oder jüngst mit Caoilfhionn Rose, eine fantastischen Singer-Songwriterin aus Manchester. Wir haben keine Angst aus unserer Komfortzone auszubrechen und möchten auch nicht in einer Routine steckenbleiben, in der man immer wieder das Gleiche rausbringt.« In erster Line gehe es ihm aber nicht darum, einen »Haufen Geld zu machen oder ein großes Unternehmen zu werden«, sondern darum, »einen glücklichen und unterstützenden Ort für Musiker« anzubieten: »Wir machen doch eher Independent-Soul-Business.« Derzeit kümmern sich fünf Mitarbeiter um die Belange des Labels, alles werde fair geteilt. Im Vordergrund stehe der Respekt für die Künstler und die enorme Energie, die sie in ihre Releases stecken. »Wir versuchen, alle Interessen im Gleichgewicht zu halten, uns darüber bewusst zu sein, dass Entscheidungen auf allen Ebenen Auswirkungen auf den Zusammenhalt haben, und auch, das Label vielfältiger zu gestalten.

»Wir haben keine Angst aus unserer Komfortzone auszubrechen und möchten auch nicht in einer Routine steckenbleiben, in der man immer wieder das Gleiche rausbringt.«

Matthew Halsall

Mit 14 hat Matthew Halsall begonnen, Schallplatten zu sammeln, zwei Jahre später sei er besessen gewesen von Labels wie Warp und Ninja Tune aber auch klassischen Jazz-Labels wie Blue Note oder Impulse! später dann Imprints wie Strata-East und anderen. »Als Sammler und DJ gehörte ich wohl von Anfang an zu den Personen, die sich mehr als andere auch für die Label-Seite der Sache interessieren«, meint der heute 37-Jährige. Gleichzeitig fing er an, selbst Musik zu machen und entdeckte, dass es in Manchester eine vitale Jazzszene gab. Zentral dafür war Matt & Phreds Jazz Club, der an sieben Abenden in der Woche zeitgenössischen Crossover-Jazz präsentierte und vor allem Acts aus Manchester wie The Cinematic Orchestra eine Plattform bot. »Dort lief ein Mix aus Hip-Hop, Drum’n’Bass, Spiritual Jazz und Folk – kurzum: ein ziemlich eklektischer Sound. Ich war vier bis fünf Abende pro Woche dort und kam auch mit den Musikern ins Gespräch.« Rasch entstand daraus die Idee, diese interessante Szene mit einem Label »ins rechte Licht zu setzen«.

Neben seinen eigenen Platten gehörten die des Saxofonisten Nat Birchall zu den ersten Gondwana-Releases. Neben dem Bezug auf den ehemaligen Antiquitätenladen seiner Mutter drücke sich in der Vorstellung vom namensgebenden Superkontinent auch die Idee einer Weltgemeinschaft aus. Am Anfang sei es schwieriger gewesen als gedacht, aber mit dem Debütalbum von GoGo Penguin war ein neues Level erreicht. Halsall begann, die Perspektive zu erweitern und neue Künstler zu verpflichten: Mammal Hands, Phil France und John Ellis bereicherten den Roster, Portico Quartet und Hania Rani stießen hinzu. »Das Label ist in einem schönen, gleichmäßigen Tempo gewachsen«, so Halsall.

Obwohl er mittlerweile mehr als Radio-Presenter denn als Club-DJ in Erscheinung tritt, sei ihm die Dancefloor-Kultur nach wie vor sehr wichtig: »Mein größter Einfluss, sowohl für den Musiker als auch den Labelbetreiber, waren DJs: Gilles Peterson und Mr. Scruff sind zwei der wichtigsten Figuren in meiner musikalischen Sozialisation.«

Ausgehend von einem lokalen Fokus hat Gondwana mittlerweile eine recht internationale Ausrichtung bekommen: Neben britischen Acts haben sich auch Künstler aus Polen, Australien, den USA und Belgien in den Katalog eingereiht. Manches komme auf ihn zu, auch über die Demo-Schiene, aber auch über Empfehlungen seiner Musiker. Auf andere gehe er aktiv zu, wenn er das Gefühl hat, dass sie zur Label-Philosophie passen. »Die Entwicklung verläuft in Phasen«, sagt Halsall. Sein wichtigstes Credo als A&R: »Es geht nicht um Quantität, sondern um Qualität.« Was eine Produktion haben muss, um ein Gondwana-Release zu werden? »In erster Linie muss sie aufrichtig sein und ein Gefühl von Soul und Charakter verbreiten, das, wenn man dann dem Künstler persönlich gegenübertritt, sich wahrhaftig anfühlt und eine starke, tiefe Verbindung zwischen der Person und ihrer Musik spürbar macht.« So gut wie alle Veröffentlichungen erscheinen auf Vinyl, häufig auch in farbigen Sammler-Auflagen.