Australian Hip-Hop – Aufstieg des Down-Underground?

10.12.2012
Spätestens seit die Möglichkeiten des Internets die Sub Genres und über den Globus zersplitterten Szenen vernetzen, drängen immer mehr Rapper aus Australien aus dem Down-Underground in die Welt. Unser Autor hat die Szene beleuchtet.

Seit den frühen 1980er Jahren haben sowohl Australien als auch Deutschland, weit über jede Form billiger amerikanischer Nachahmung hinaus, eine einzigartige und lebendige Hip-Hop-Kultur gepflegt. Schon lange vor der Internetrevolution sind deutsche Graffer nach Australien gereist, um ihren Stil weiterzuentwickeln, Ideen und Techniken auszutauschen und v.a. um Bier zu trinken, Joints zu bauen und Züge zu sprühen. Abseits dieser starken Old-School-Verbindung, bleibt ein Großteil des australischen Hip-Hop (oder Skip-Hop) so isoliert wie der Kontinent, der ihn hervorbringt und nur wenige Künstler versuchen ihren Sound zu exportieren. Erst in der letzten Zeit gab es einen merklichen Anstieg australischer Hip-Hop Künstler, die die technischen Möglichkeiten von Webseiten wie YouTube und Soundcloud nutzten, um ihre Musik in die Welt zu bringen. In fast jedem Land gibt es unzählige Hip-Hop Splitter-Zellen und Sub-Genres. Diese Art transkontinentaler Hip Hop-Gründung hat sich über mehr als drei Dekaden entwickelt, man könnte die Generation Y so gesehen als erste wirkliche Hip-Hop-Generation bezeichnen. Dank Pionieren wie Grand Master Flash, Afrika Bombatta und RUN-DMC hatte unsere Generation den Luxus, in einer Zeit aufzuwachsen, in der die Grundlagen des Hip Hop auf der Welt schon etabliert und verbreitet waren. Im Jahre 2003 startete RZA eine ambitionierte Mission mit vielen verschiedenen, nicht englischsprachigen MCs aus der ganzen Welt zu kollaborieren, mit dem Bestreben Licht in eine zunehmend globalisierte Bewegung zu bringen und die Vereinigung der internationalen Hip Hop-Gemeinschaft zu unterstützen. »We’re knocking down all barriers, and there’s no separation in Hip-Hop. We’re not going to say there’s West Coast or East Coast Hip-Hop, American Hip-Hop or European Hip-Hop—it’s got to be the movement of our generation, one Hip-Hop. I like to say this quote: ›Hip-hop: the sound and soul of our generation.‹« (The RZA)

Heute ist Hip-Hop so weit gestreut und vielfältig, dass der Underground selbst im Schatten großer Popstars gute Möglichkeiten zur Entfaltung hat. Innerhalb Australiens gibt es eine Vielzahl unabhängiger Rapper wie Brad Strut, Omar Musa, Kerser und Tornts die, dank der Loyalität ihrer Fangemeinde, mit ihren CDs und Merchandiseverkäufen, einen sehr anständigen Lebensunterhalt verdienen. Authentizität ist dabei die am meisten geschätzte Komponente in jeder Hip-Hop-Szene. Wie in Deutschland werden in Australien Rapper, die sich einen amerikanischen Akzent aneignen, sehr schnell aus der Community ausgeschlossen oder zumindest von ihr verspottet. Selbstdarstellung ohne Aufrichtigkeit ist wertlos, besonders im Hip-Hop. Bei den jüngsten Australian Independent Music Awards gab der Platin-verkaufende Pop-Rapper 360 zu, »Als Künstler bei einem Label, das von einem Majorlabel finanziert wird, fühlt es sich für mich nicht richtig an, hier bei den Independent Music Awards zu stehen, aber die Regeln sagen, dass mein Label qualifiziert ist und so bin ich hier… Künstler wie die Jezabels arbeiten sich kaputt, haben das ganze Jahr über Gigs und arbeiten rund um die Uhr, um dahin zu kommen wo sie heute sind. Sie haben nicht die große Maschine, die ihnen hilft wie ich.« Eine bewundernswerte, ehrliche Äußerung und ein weiteres finsteres Beispiel dafür, wie Majorlabels sich als Independent ausgeben, um die Street Cred eines Künstlers zu steigern – ein internationaler Branchentrend, der nicht nur auf den Hip-Hop begrenzt ist. Heutzutage ist Hip-Hop eine Milliarden-Dollar-Industrie und so ist es keine Überraschung, dass einer der effektivsten Wege, um internationale Aufmerksamkeit zu erlangen, ist, beeindruckende Rekordverkäufe im eigenen Land vorweisen zu können.

CITI:»Wie in Deutschland werden in Australien Rapper, die sich einen amerikanischen Akzent aneignen, sehr schnell aus der Community ausgeschlossen oder zumindest von ihr verspottet. Selbstdarstellung ohne Aufrichtigkeit ist wertlos, besonders im Hip-Hop.«:### Ein anderer, traditionellerer Weg zu internationaler Anerkennung (und ein unmittelbareres und extremeres Beispiel der rapiden Globalisierung des Hip-Hop) ist die stetig wachsende internationale Battle-Rap-Szene. Dank der Einfachheit und Zugänglichkeit von Youtube, haben Rapper aus allen Ecken des Globus die Möglichkeit einen guten Eindruck jeder lokalen Battle League und deren einmaligen regionalen Flavors zu bekommen. Das unsterbliche Konzept »vom Tellerwäscher zum Millionär« als Hip-Hop-Märchen verpackt, sichert einen nicht endenden Strom hungriger MCs voller wütendem Kampfgeist, der die ständige Weiterentwicklung und den Ausbau der Kunstform quasi erzwingt. Internationale Gäste sind ein fester Bestandteil berühmter Battle Leagues geworden. MCs wie 360, MANAZ ILL und Justice fliegen an alle Ecken der Welt, um ihre Fähigkeiten zu zeigen und sich mit den Besten der Besten zu messen.

Entgegen landläufiger Meinung und obwohl dort der Geburtsort des Hip-Hop ist, sieht Amerikas Battle-Szene im Vergleich zu vielen Ländern Europas und Südostasiens blass aus. In der Tat gibt es beispielsweise Videos auf »FlipTop«, einer populären philippinischen Battle League, die mehr als 12 Millionen mal angesehen wurden. Im Jahre 2005 schrieb der Melbourner Underground-MC Justice Hip-Hop-Geschichte, indem er der erste Nicht-Amerikaner war, der jemals ein Scribble Jam gewonnen hat, etwas, dessen Bedeutung nicht unterschätzt werden sollte. Das bewies nicht nur endgültig, dass australische Rapper auf der internationalen Skala ernst genommen werden können, sondern dass dieser repräsentative Titel von jedem mit Ambition, Können und Standhaftigkeit, ungeachtet seiner Rasse oder seines ethnischen Hintergrunds gewonnen werden kann.
Wenn auch die Sprachbarriere in einigen Fällen die internationale Attraktivität des lokalen Hip-Hop hemmt, DJs and Produzenten erleben keine derartigen Einschränkungen. M-Phaze (Australien) und Suff Daddy (Deutschland) haben beide viel internationale Anerkennung erfahren, indem sie mit einem mannigfaltigen Katalog von Rappern aus Australien oder Europa zusammengearbeitet haben und sogar den scheinbar undurchdringlichen amerikanischen Markt geknackt haben. Vielleicht ist dies das ultimative Beispiel, wie globalisiert der Hip-Hop wirklich geworden ist und bekräftigt einmal mehr, dass es am Ende des Tages niemanden wirklich interessiert, welche Hautfarbe du hast oder woher du kommst, alles was wirklich zählt ist der Style, die Substanz und Originalität.
Eine der größten Barrieren, die sich australischen DJs und Produzenten stellt, ist die besonders schwierige Aufgabe des Crate Diggings. Nicht nur dass Secondhand-Vinyl wesentlich teurer ist als irgendwo anders auf der Welt, dank Australiens früherer Rock N Roll-Manie haben es anständige Jazz/Soul/Funk-Platten extrem schwer sich zu etablieren. Es sind jedoch Rückschläge wie diese, welche die Innovation fördern; Australische Produzenten waren gezwungen über den Tellerrand zu schauen und mit anderen Genres zu experimentieren. Auf der anderen Seite waren Künstler wie Miles Davis, Dexter Gordon und sogar Jimi Hendrix lange bevor sie je kommerziellen Erfolg in den USA erlebt haben, in Europa sehr erfolgreich und stellten sicher, dass europäische Vinyl-Junkies einen endlosen Vorrat an billigen Platten für die Sample-Ernte hatten.

In vielerlei Hinsicht ist Australien eine Nation kultureller Waisen, die darum kämpfen sich mit ihrer eigenen nationalen Identität zu arrangieren. Vielleicht ist dies einer der Gründe weshalb so viele junge Australier stellvertretend den Hip-Hop gewählt haben. Während Australien immer noch versucht herauszufinden, wo es in das ständig wachsende Hip-Hop-Universum hineinpasst, ist eine Sache klar; Ozeanischer Hip-Hop ist ein dynamischer und essentieller Teil der globalen Hip-Hop-Gemeinschaft – »so write this down in your black books and journals, Skip-Hop culture is eternal…«.

GTNA Best Of Both Worlds – 360 vs Kerser:

Unser Autor Tim Kent beobachtet und reflektiert seit vielen Jahren die australischen Hip Hop-Szene. Er lebt und arbeitet in Sydney.