Audiolith Records – Bitte ziehen Sie durch!

20.08.2015
Foto:Thomas Baldischwyler
Seit beinahe zwölf Jahren geht das Hamburger Plattenlabel Audiolith seinen ganz eigenen Weg. Wir sprachen mit Lars Lewerenz und Artur Schock darüber, wie es ist, konsequent sein Ding zu machen.

»Es gab gar keinen Masterplan, man hat es einfach irgendwie gemacht.« Seine, ihre, die der anderen: Lars Lewerenz verpackt die Attitüde hinter Audiolith in diesen Satz. Was und vor allem wie man es einfach so gemacht hat, will ich dann aber doch wissen. »Wir beide haben eine ähnliche Sozialisation hinter uns, der DIY-Gedanke hat da eine große Rolle gespielt – egal wie abgedroschen das jetzt klingt.« Heute belege man wahrscheinlich eher einen entsprechenden Ausbildungsgang, wisse wohl auch zumindest grob wohin es einmal beruflich gehen soll, vermutet Lewerenz. »Wir haben damals einfach gemacht worauf wir Bock hatten, wir wollten nie ins Musikbusiness und hatten von diesem auch keine Ahnung. Jetzt haben wir zwar mehr Ahnung vom Geschäft, unser Ding ziehen wir aber genauso weiterhin durch. « Wir sitzen in einer Kajüte der altgediegenen MS Stubnitz, die schon seit Ewigkeiten im Hamburger Hafen Anker gelegt hat. In wenigen Stunden steht genau dort die Releaseparty zur neuesten Ausgabe der »Stiff Little Spinners«-Reihe an. Die Compilation mit Produktionen aus House und Techno erscheint bereits zum sechsten Mal. In den Anfangsjahren noch undenkbar – oder etwa doch nicht? »Wir haben uns von Anfang an weder auf bestimmte Genres festgelegt, noch irgendwelche ausgeschlossen. Wenn wir etwas gut fanden, was unsere Künstler gemacht haben, dann haben wir versucht es für die noch besser zu machen. Das heißt, ganz konkret die Labelarbeit so aufzuziehen, dass wir den Künstler möglichst viel Freiheit in diversen Bereichen garantieren konnten. Genres spielten dabei keine Rolle und tun es auch heute noch nicht.« Das Audiolith das Etikett anhaftet ein Electropunk-Label zu sein, lässt sich dennoch nicht abstreiten. Lars Lewerenz und Artur Schock wissen natürlich um diesen Umstand. »Die musikalischen Vorlieben unserer Künstler haben sich in all den Jahren genauso entwickelt, wie unsere eigenen und damit hat sich auch das musikalische Spektrum des Labels erweitert. Das heißt aber nicht, dass wir nur mögen, was wir veröffentlichen. Aber wir veröffentlichen ausschließlich, was wir mögen.«

Freunde von Freunden
Seit 2003 bringt Lewerenz, gelernter Anlagenmechatroniker und Erzieher, unter dem Namen Audiolith Musik »von Freunden, die mir gefällt«, wie er sagt, heraus. Mittlerweile können alle von ihrer Arbeit leben. Lange Zeit hat auch Lewerenz noch einem Zweitjob nachgehen müssen. Natürlich ist das Risiko, das etwas schiefgeht, auch Dank der gesammelten Erfahrung gesunken. Ganz verschwinden wird es jedoch nicht. Als Artur Schock zu Audiolith stieß, betrieb Lewerenz das Plattenlabel bereits zwei Jahre. Die ersten Veröffentlichungen waren erschienen, die Künstler damals hießen ClickClickDecker, The Dance Inc. oder Plemo. Zu dieser Zeit kümmerte sich Artur um das Booking einer weiteren Band der ersten Stunde: Egotronic. »Damals allerdings noch unter einem anderen Namen. Bei einer Russlandtour von Egotronic und Plemo im Jahr 2005 habe ich Lars kennengelernt und wir uns kurze Zeit später entschlossen Booking und Label zusammenzulegen und beides unter dem Namen Audiolith laufen zu lassen.« Heutzutage gehört auch ein Verlag zur Firma, auch der Merchandise wird selbst designt – und ist mittlerweile zu mehr als einer wichtigen Einnahmequelle geworden. T-Shirts kann man sich eben nun mal nicht gratis aus dem Netz ziehen.

»Das heißt aber nicht, dass wir nur mögen, was wir veröffentlichen. Aber wir veröffentlichen ausschließlich, was wir mögen.«

Lars Lewerenz
Als Plattenfirma möglichst viele Fäden in der Hand halten, bei gleichzeitiger Garantie von maximalem Einfluss der Künstler – was viele Labels versprechen, ist bei Audiolith mehr als nur ein Eckpfeiler der Labelpolitik, es ist auch einer der Merkmale des Erfolgs. »Die alte Denke, Labels oder Produzenten würden einen groß machen, ist ja längst überholt. Wir glauben an die Vision der Künstler und versuchen sie in jedem Bereich zu unterstützen, damit sie diese bestmöglich umsetzen können. Dazu gehört beispielsweise auch, darauf zu achten, das sie nicht von der Steuer gefickt werden.« Wichtig ist es den Labelmachern an langfristigem Erfolg zu arbeiten »einen Hit zu landen oder später mal einen Whirlpool zu haben, dass versprechen wir nicht. Aber das erwarten die Künstler auch gar nicht von uns.« Organisches Wachstum, statt schneller Erfolg. Die beiden Betreiber und ihr Team halten ihren Künstlern den Rücken frei und sorgen dafür, dass diese sich ganz auf ihre Musik konzentrieren können – die kann, aber muss nicht politisch sein. In der öffentlichen Wahrnehmung wird Audiolith oftmals als anti-deutsches Label gesehen – die Labelmacher sehen dass differenzierter, wie Lewerenz erläutert: »Es gibt zig verschiedene Meinungen und ich muss nicht jede Meinung komplett teilen. Aber ich glaube, wir haben trotzdem eine gemeinsame Basis mit allen unseren Künstlern. Wir sind aber ein Plattenlabel und keine Politik-Gruppe. Wir diskutieren nicht jedes Thema aus.« Es gäbe, wie vielleicht so manch einer denken mag, keine gewünschte politische Einstellung der Künstler, ebenso wenig eine Pflicht sich mitzuteilen, ergänzt Schock. Das von den Medien gezeichnete Bild eines anti-deutschen Labels beruhe letztendlich auf Äußerungen einiger Künstler und dem was andere dann daraus machen. Dennoch freut man sich über sich kritisch äußernde, polarisierende Musiker. »Wenn jemand was zu sagen hat, was auch mal wehtut und es nicht nur bei schönen Phrasen bleibt, die jeder Bono beim Kirchentag raushauen kann, dann freut uns das«, führt Schock weiter aus.

Two More Years of Fuckin’ Up!
Unternehmerischer Mut und die Freundschaft zu den Künstlern – zwei wichtige Faktoren des Labelerfolgs ohne Zweifel. Ein über zehn Jahre währendes Bestehen eines Unternehmens garantieren sie natürlich noch lange nicht. In die Mitte der 00er Jahre fällt auch die Gründung von längst vergessenen (MySpace) und heute viel älter erscheinenden (YouTube, Facebook) sozialen Netzwerken. Die sich rasend in einem bisher nicht bekannten Maße ausbreitende Digitalisierung und die damit einhergehenden Veränderungen, kamen gerade Labels wie Audiolith zu Gute. Digital ist besser? Es macht die Dinge zumindest einfacher. Das Glück zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, trifft es genauso wie die Umschreibung Das Glück des Tüchtigen. Denn natürlich haben Lars Lewerenz und Artur Schock eines immer getan: hart gearbeitet. Nicht nur ihr Ding durchgezogen, sondern frei nach Spike Lee auch das Richtige getan.

Im September 2013 feierte man 10-jähriges Bestehen, unter anderem mit der Compilation »Ten Years From Now On« – zwei Jahre davon sind schon wieder vorbei. Audiolith bedarf eigentlich längst keiner Vorstellung mehr. Das Logo ist omnipräsent, ganze Touren der Künstler sind ausverkauft. Auf Festivals bespielen Frittenbude, Egotronic, Saalschutz oder Neonschwarz längst zu den besten Zeiten die Hauptbühnen. Lars Lewerenz und Artur Schock werden also noch mindestens acht Jahre ihr Ding machen – auf ihre Weise. Bitte ziehen sie durch!