Bart Davenport – Let Love Find You!

10.02.2011
Foto:Terri Loewenthal Tapete Records
Nur wenigen gelingt es, die Freude an den persönlichen Glanzmomenten aus sechzig Jahren Folk, Pop und R&B so lebendig zu vermitteln wie dem Kings-Of-Covenience-Kumpel Bart Davenport, wie derzeit gleich zwei aktuelle Alben zeigen.

Falls es einen Beweis dafür bräuchte, dass in der Kinderzeit genossene Popmusik genauso wichtig sei wie jedes wachstumfördernde Vitamin und eine solche Sozialisation ewige Jugend garantiere, dann böte Bart Davenport das beste Beispiel. Obwohl bereits seit einem Vierteljahrhundert im Geschäft (schon als Teenager heizte er als Blues-Harp spielender Sänger einer Mod-Band die Live-Clubs der amerikanischen Westküste ein), verkörpert der Gitarrist aus dem kalifornischen Oakland die ursprüngliche Faszination von Popmusik so überzeugend wie kaum ein anderer seiner Zunft. Bart Davenport gehört zu der raren Spezies, die auch ein Publikum, das ihn zum ersten Mal live erlebt – wie hierzulande bei seinen Supportshows für die Kings Of Convenience – sofort für sich gewinnen. Und neben den berühmten Norwegern ist auch bei vielen anderen Kollegen schon der Funke übergesprungen. Besonders in der R&B-affinen Clubzene reisst man sich um den inspirierenden Austausch mit ihm. So hatte ihn Greyboy schon mehrfach auf seinen Maxis gefeatured (nachzuhören auf der formidablen Bilanz 15 Years Of Westcoast Cool) und auch die Phenomenal Handclap Band profitierten auf ihrem Debüt – besonders auf den rockigeren Stücken – von Bart Davenports variantenreichen Vocals. Kein Wunder also, dass Bart Davenport derzeit mit Honeycut und Incarnations gleich zwei Soul-Projekte am Laufen hat – und seinen Weg als One-Man-Folk-Band nicht minder engagiert verfolgt.

»Mit den Persephone’s Bees nach England fliegen, um dort für Tausende von Dollar Fotos zu schießen, verhieß erstmal einen Karrieresprung. Doch schon im Jahr des CD-Release zeichnete sich ab, dass die Band von Sony nicht gerade als Priorität gehandelt wurde. Tja, ich mag die Peresphone’s Bees immer noch sehr, doch ich mußte sie verlassen, weil sie mir kein Gehalt mehr garantieren konnten.

Bart Davenport
Maroon Cocoon
Wobei Searching For Bart Davenport von seinen fünf Soloalben das ist, welches seiner Live-Performance am nächsten kommt. Sogar noch näher als Maroon Cocoon, das er 2005 in seiner Wohnung einspielte: » Maroon Cocoon sollte zunächst auch eine rein akustische Platte werden, aber während der Aufnahmen dachte ich plötzlich: †ºAch was, auf ein paar Songs will ich eine Drum Machine hören!†¹ Das Album sollte bewußt wie ein Demo klingen. Der Haken war nur, dass es kaum einer kaufte.«
Welche Erklärungen man auch heranziehen mag, dass ausgerechnet jene CD – ein Geniestreich an Beobachtungskunst in Melodieform – das Los des verkannten Meisterwerks ereilte: der Künstler zog daraus die Konsequenz und trat zwei Jahre lang nicht mehr solo auf. Doch im Schmollwinkel richtete er es sich auch nicht ein, da er seinerzeit gleich von zwei Seiten Job-Offerten bekam. Zum einen suchten Persephone’s Bees, eine Neo-Sixties-Band mit russischstämmiger Sängerin und Major-Label-Vertrag nach einem Bassisten, zum anderen hoben der französische Wahl-Kalifornier RV Salters (alias General Elektriks!) und der Trommler Tony Sevener (der bereits auf Maroon Cocoon die Drum-Machine-Parts »von Hand« spielte) das Electro-Funk-Projekt Honeycut aus der Taufe – mit Bart Davenport als Frontman. »Mit den Persephone’s Bees nach England fliegen, um dort für Tausende von Dollar Fotos zu schießen, verhieß erstmal einen Karrieresprung. Doch schon im Jahr des CD-Release zeichnete sich ab, dass die Band von Sony nicht gerade als Priorität gehandelt wurde. Tja, ich mag die Persephone’s Bees immer noch sehr, doch ich mußte sie verlassen, weil sie mir kein Gehalt mehr garantieren konnten. Das habe ich zwar bei Honeycut auch nicht zu erwarten, doch da bin ich immerhin Co-Writer und im Falle eines Erfolges zu einem Drittel beteiligt.«
Und ein solcher war dem Trio beschieden, als sein Stück Exodus Honey für einen iMac-Werbespot ausgewählt wurde. Doch schon davor erlebte Bart Davenport, welch synergetischen Effekte sich ergeben können, wenn man – wie im Fall von Honeycut – auf dem Hiphop-Label Quannum veröffentlicht und vorzugsweise von Techno-Clubs gebucht wird. So kreuzten sich schließlich die Wege des Kaliforniers mit dem des New Yorker Retro-Soul-Kollektivs The Phenomenal Handclap Band, woraus ein weiteres Trio-Projekt mit Namen Incarnations entsprang.

With All Due Respect
Als wesentlicher Katalysator fungierte hier das Madrider Label Lovemonk, welches die vielbeschäftigten Freunde Davenport, Quinn Luke (der solo als Bin Ji Ling den Innervisions-Weg von Stevie Wonder eingeschlagen hat und beim DFA-Act Q&A eine zentrale Rolle spielt) und Daniel Collás (produzierte vor der Phenomenal Handclap Band u.a. die Latin-Legende Joe Bataan) für eine zweiwöchige Studio-Session im südspanischen Tarifa zusammenbrachte. Bart Davenport: »Uns war schon länger klar, dass wir unbedingt mal eine gemeinsame Platte aufnehmen müssten – nur leben wir eben an zwei entgegengesetzten Küsten. Da war es wie eine Fügung, dass die Lovemonk-Leute als Geburtshelfer einsprangen und das logistisch für uns lösten. Und dann auch an einem der schönsten Orte ihres Landes!«
With All Due Respect haben die Incarnations das Ergebnis ihres Kreativurlaus genannt. Folgerichtig versuchten die drei Multiinstrumnetalisten bei ihren – buchstäblich von der Brandung umspülten – Gemeinschaftwerken gar nicht erst, ihre Leidenschaft für 1970er-Jahre-Softrock amerikanischer (Bread, Doobie Brothers, Hall & Oates) und britischer Prägung (Colin Blunstone, Gerry Rafferty, Paul McCartney’s Wings) Prägung, für die Hammondorgel-lastigen Balladen der Young Rascals (I Didn’t Know, The Selfish Guy), dem Singalong-Soul von Earth, Wind & Fire (Make You Mine, Let Love Find You) oder auch Bubblegum-Verwandtem à la Tommy James (Up From The Ground) hinterm Berg zu halten. Und das ausklingende Instrumental Sunset On Punta Paloma mit Plektrum-Bass, Plucker-Gitarren und trockenen Drums kann man als Referenz an das mittlerweile auch schon zehn Jahre alte Phoenix-Debüt United auffasssen. Ja, da wird in der Tat reichlich Respekt gezollt – aber auf welch hohem Niveau!

Searching For Bart Davenport
Auch der Titel von Davenports solo eingespielten Liedersammlung Searching For Bart Davenport ist hierbei aufschlußreich. Vollzieht sich diese Selbstsuche doch in Form ausgewählter Fremdkompositionen, von denen sich einige schon länger in seinem Live-Repertoire befinden. Etwa Maria Bethania von Caetano Velosos erstem Exil-/Post-Tropicália-Album London, London, I Do Wonder von Arthur Lee (Love) oder I Think I Had No Arms seines kalifornischen Kumpels Greg Moore (alias Sandycoates). Letztere Jetztzeit-Ballade ruft mit Zeilen wie »Save the place for you but I won’t call you / leave the place for you all in my mind« geradezu danach, im nächsten Miranda-July-Movie eingesetzt zu werden und Bart Davenport tut sein Bestes, dieses zärtliche Kleinod in Graswurzelmanier unter die Leute zu bringen.
Im Grunde verdiente es jede seiner zwölf Bearbeitungen, hier hervorgehoben zu werden. Ob beim neckischen Brighter Every Day (Incredible String Band), der Pathos-befreiten Fassungen von Autumn Lullabye (Bridget St. John) und Blues Run The Game (Jackson C. Frank) oder der akustisch wunderbar gelingenden Gil-Scott-Heron-Ballade Better Days Ahead (von dessen kaum bekanntem Album Secrets) : in jeder Silbe zeigt der nuancenreiche Vokalist, wie sehr er die Poesie jener Texte verinnerlicht hat.
Und die können, wie es hier neben dem Sandycoates-Stück auch Lieder von The Changes, den Kings Of Convenience und Broadcast zeigen, eben auch von Musikern seiner eigenen Generation stammen. Dass letzgenannte Sci-Fi-/Dreampop-Band zur Veröffentlichung von Searching For Bart Davenport nicht mehr existieren würde, war zum Zeitpunkt der Aufnahme von Come On, Let’s Go nicht absehbar. Mit jenem zärtlichen Appell an eine Nachtschwärmerin, den Verheißungen des Partylebens abzuschwören und sich lieber ganz dem begleitenden Erzähler zuzuwenden, eröffnet Bart Davenports nun seine Hommagen. Und der in diesem Januar überraschend verstorbenen Broadcast-Sängerin Trish Keenan hätte kaum eine schönere posthume Ehre zuteil werden können.