Records Revisited: Spoon – Gimme Fiction (2005)

09.05.2025

Spoon machen keine Blockbuster – ihre Alben schleichen sich ins Gedächtnis, statt es zu sprengen. »Gimme Fiction« von 2005 wirkt auf den ersten Blick zugänglich, entpuppt sich aber als düsteres Puzzle zwischen Beatles-Ehrung, Noise-Gitarren und unterschätzter Komplexität.

In »Knock Knock Knock«, einem druckvollen Highlight vom 2014 erschienen Spoon-Album They Want My Soul, erwähnt Frontmann Britt Daniels den Film After Hours – ein großartiges, aber weniger tonnenschweres Scorsese-Werk, das der Regisseur sich Mitte der Achtzigerjahre aus dem Ärmel schüttelte. Passt perfekt, ich will sagen: Die Diskographie von Spoon würde so wie das Gesamtwerk von Martin Scorsese aussehen, wenn dieser nicht aufgeladene Brocken wie Raging Bull oder Goodfellas zwischengeschoben, sondern nur kleinformatigere Filme wie After Hours gemacht hätte. Immer und immer wieder. Maßlos ausgeknockt wird man kaum, enttäuscht ebenfalls nicht.

In den Augen von Britt Daniels ist After Hours vermutlich viel cooler als ein dreistündiges Epos, weil der Film sich selbst nicht so wichtig nimmt. Platten sind bei Spoon keine Blockbuster/Homerun-Versuche oder Karriere-Neustarts (s. Vampire Weekend, Arcade Fire etc.), sondern einfach nur Platten, die halt alle paar Jahre erscheinen; in dieser Hinsicht ist die Band ziemlich oldschool.

Plus: Wenn deine Diskographie letztendlich nur aus solch bescheideneren Alben besteht, ist das beim Eintauchen in dieses Gesamtwerk viel spannender – weil nicht ein oder zwei Alben die ultraoffensichtlichen Go-To-Meilensteinen sind, weil man jede Phase der Karriere als wichtig betrachtet. Spoon war nie die größte oder wichtigste Band, doch Spoon sind immer da. Und bleiben, seit 30 Jahren, trotz stetiger Kleinveränderungen, Spoon.

Dadurch, dass Spoon sich zu Beginn ihrer Karriere erstmal finden mussten – vom Pixies-ähnlichen Debüt Telephono bis zum minimalistischen Viertwerk Kill the Moonlight wurde die Band von Album zu Album besser –, verschossen sie nicht sofort ihr Pulver, wie es z.B. bei The Strokes oder Interpol der Fall war. Auch danach blieb die Band stets interessant, denn später etablierte sich eine Art Hin-und-Her innerhalb ihrer Diskographie: Auf das eingängige Rockalbum Ga Ga Ga Ga Ga (2007) folgte das experimentelle Transference; auf die direktere Popplatte They Want My Soul folgte der elektronisch angehauchte Bruch mit Hot Thoughts (2017). Was nach dem neuesten All-Killer-No-Filler-Rockalbum Lucifer on the Sofa für ein Werk kommen wird, sollte vermutlich klar sein…

Der erste Eindruck trügt

Zwischen diesen beiden Reihen – dem Weg zum Erfolg und dem beschriebenen Rock’n’Roll/Experimentierfreudigkeit-Pingpong – sitzt Gimme Fiction. Es ist nicht mein Lieblingsalbum von Spoon, vermutlich schafft’s die Platte nur gerade so in meine TOP 5. Sie bleibt aber das Werk, über das sich am besten schreiben lässt. Denn im Vergleich zu anderen Spoon-Alben lässt Gimme Fiction sich schwerer in eine Schublade stecken: Es ist weder direkt und poppig (wie Ga Ga Ga Ga Ga) noch auf offensichtliche Weise experimentell (wie Hot Thoughts). Am besten lässt das Werk sich so beschreiben, dass Spoon darauf ihre Classic-Rock-Einflüsse kaputtgehauen und dann wieder zusammengesetzt haben; in falscher Reihenfolge und komischen Formen.

In der damaligen Pitchfork-Review wurde die Platte als »straightforward« bezeichnet… Sorry, aber das ist Quatsch.

Nie zuvor haben Spoon so doll nach The Beatles geklungen. Besonders deutlich wird das in der absteigenden Akkordfolge von »The Beast and Dragon, Adored« Nicht durch seine Länge erinnert Gimme Fiction an das weiße Album der Beatles, auch wenn die Platte ähnlich divers ist, sondern durch die brodelnde, düstere Unheimlichkeit, die beide Alben besitzen: Gimme Fiction fällt durch tief wummernde Pianotöne und zerstückelte Noise-Gitarren auf, in den Lyrics geht es um Beschwörungen und apokalyptische Szenarien.

Nichts ist, wie es scheint, so beginnt »Sister Jack« zwar als geradliniger Rocksong, pendelt sich gegen Ende aber auf einem ungewöhnlichen 9/8-Takt ein; »They Never Got You« startet mit einem groovigen Motown-Rhythmus, doch schon der erste Akkordwechsel schiebt das Ganze in ein gespensterisches Licht. In der damaligen Pitchfork-Review wurde die Platte als »straightforward« bezeichnet… Sorry, aber das ist Quatsch und nur auf den ersten Blick so. Im besten Song des Albums, »The Two Sides of Monsieur Valentine«, bringt Britt Daniels die Sache auf den Punkt: »You think things are straight, but they’re not what they seem«.

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