Ausklang | New Music Friday – Neue Musik von Future, Black Wing et al.

Woche für Woche picken wir Tracks, die uns in den vorausgegangenen sieben Tagen nicht aus dem Kopf gehen wollten, deren Release auf den heutigen Tag fällt oder einem anderen Pseudogrund unterliegen. It’s new music, Annelie!
»Thought It Was A Drought (Promethazine Mix)« by Future
Was bin ich dankbar dafür, dass mir der dieswöchige Geburtstag DJ Screws endlich einen legitimen Grund gibt, hier direkt zu Beginn zwei bronchial entzündete und akut verschnupfte Zeitlupendinger zu platzieren. Nummer Eins geht auf das Konto des allgegenwärtigen Future, dessen Albumopener nur noch durch eine Sache besser gemacht werden konnte: Pitchshifting, so dass Futures wieder einmal überragend poetische Einsichten klingen wie direkt aus der verklebten Lunge gehustet. Und dann gibt es ja noch diese Kodein-Pippi und Gucci-Flip-Flop-Incidents. Mann, mann. FA
»She Can’t Love You (MGUN Vaped Out Mix)« by Chemise
Nicht ganz so abgründig ist MGUNs (Wick Vapo)Rub für einen der breit grinsendsten Boogie-Klassiker da draußen. Das klingt dann am Ende schon beinahe wie ein besonders verschlafener Riddim, nur dass hier Jah Jah und Oral-Phobien keine Rolle spielen. Ich schiebe meine Überidentifikation mit diesem Getorkele auf meinen extra für eine angemessene Dirty Sprite 2 Rezeption gezüchteten Schnupfen. Cornils, mach mal was über 30 BPM. FA
»Trouble Knows Me« by Trouble Knows Me
taken from Trouble Knows Me’s new EP »Trouble Knows Me«, out September 1st on Rappcats

Der Typ von everybody’s Lieblingspathosschleudern, den Future Islands, rappt jetzt also über Madlib-Beats. Kann sich niemand ausdenken und ist zum Glück auch simple Realität. Zwar ein bisschen peinlich, ein bisschen doll sogar, aber das macht doch auch Sam Herrings Hauptact aus, von der beknackten Rodeo-Romantik bis hin zum Brustgeklöppel im Late-Night-TV. Fremdscham und Leidenschaft sind eventuell doch nur zwei Seiten derselben Medaille. KC
»Leave A Trace« by CHVRCHES
taken from CHVRCHES’s new LP »Every Open Eye«, out September 25th on Virgin/EMI

Was Peinlichkeiten und Pathos anbelangt, sind CHVRCHES ebenfalls weit vorne. Mit Kendrick-Feature und eine-Million-Dollar-Video wäre das hier vielleicht ein guter Taylor Swift-Track, so aber wieder jedermensch’ liebstes guilty pleasure, das also strenggenommen keins ist. Ganz sicher dem Synthie-Zucker und vielleicht sogar der Lyrics wegen, die mehr Triggerworte aneinanderreihen als Future jemals verständlich aussprechen könnte. Diese abstruse Form von Hypertriebenheit macht die Schottensüßis ja doch wieder: menschlich. KC
»The Knower« by Youth Lagoon
taken from Youth Lagoon’s new LP »Savage Hills Ballroom«, out September 25th on Fat Possum

Ein nicht minder massiv menschelndes Männlein ist ja Trevor Powers, der trotz Kool Aid-Haarfarben und Perserteppich-Muster-Jacken irgendwie selbst mit dem, was die musikjournalistische Einfaltslosigkeit gerne das »schwierige zweite Album« nennt, nicht unterging, obwohl es, äh, schwierig war, ihm nach dieser Offenbarung von Debütalbum noch irgendwas abzukaufen. Anders »The Knower«, das Funk und Folk und Fistelvocals mit Finesse verschmiert und aufs dritte Album gnädig vorstimmt. KC
»Flash Speed« by Acre x Filter Dread
taken from Acre x Filter Dread’s new EP »Interference«, out now on PAN x Codes
Find it at hhv.de: 12inch, coloured 12inch

Dass die Zusammenkunft von Acre und Filter Dread unter dem Banner von PAN Records und Visionist alles andere als filigran ausfällt, sollte eh klar sein. »Flash Speed« kippt die Keta-Leichen aus den Subbassboxen und verteilt von oben her Slaps an alle, die nicht bei dreieinhalb die Gunfinger ins Strobo gereckt haben. Grime im Wortsinn, unschön und schön zugleich. KC
»Solitude« by Marissa Nadler
In einem mäßig mit Menschen und übermäßig mit stickiger Luft gefüllten Roten Salon in Berlin legte Marissa Nadler letztes Jahr die schönste Version von »Tecumseh Valley« hin, die selbst Townes van Zandt himself nie gelungen wäre, coverte Monate später Elliott Smiths besten Song (ja, richtig: »Pitseleh«) in SloMo mit viel Hall und haut jetzt die unwahrscheinlichste Neuinterpretation raus: eine von Black Sabbaths »Solitude« nämlich. Klingt dank Vocal-Doubles sogar unheimlicher als jedes aktuelle Foto von Ozzy aussieht. KC
»If I Let Him In« by Black Wing
taken from Black Wing’s debut LP »…Is Doomed«, out September 25th on Flenser
Find it at hhv.de: LP

Eine der allergrößten Unheimlichkeiten jedoch ist der Erfolg von Have A Nice Life, der sich vor allem über die intellektuelle Resterampe der kollektiven Intentionalität (we call it 4chan) channelt. Recht haben die mit ihren post-pubertären Apotheosenversuchen aber trotzdem und wenn die eine Hälfte der beiden Low-Life-Gazer, Dan Barrett, solo an den Start geht, klingt das so wonnig, als würden Europe mit ihrem »Final Countdown« dem jüngsten Gericht entgegenflirren. KC
»Anxiety Is Always There« by Art Crime
taken from Art Crime’s new EP »Renessense«, out now on Creme
Find it at hhv.de: 12inch

Wir schließen heute wieder mit Weisheiten für die Rave-Kids da draußen: packt euch Art Crimes »Anxiety Is Always There« aufs iPhone und umarmt Spanier auch mal ganz offen auf der Straße und bei Tageslicht anstatt immer nur zerschossen blinzelnd morgens um 5:30 am Waschbecken, dieses Piano spricht Esperanto. FA