New Record Labels – Archivio Diafònico, Danse Noire, Macadam Mambo und Shift LTD

03.12.15
Jeden Monat stellen wir Euch Plattenlabels vor, die neu bei uns im hhv.de Shop vertreten sind und/oder deren Entdeckung sich unbedingt lohnt. Die Auserwählten in diesem Monat: Archivio Diafònico, Danse Noire, Macadam Mambo und Shift LTD.
Archivio Diafònico ist ein 2014 von Giuseppe Esposito gegründetes Kassetten-Label aus Neapel. Giuseppe Esposito betrachtet die Gründung seines Ein-Mann-Unternehmens rückblickend als logischen Schritt in seiner eigenen Entwicklung. »Ich sehe das Label als etwas sehr Persönliches an. Das heißt, es spiegelt meine eigenen Lebensjahre mit bestimmten Ideen und Praktiken wider«, sagt der Labelbetreiber, der nach langer Zeit als Noise- und Elektroakustik-Fan zwischenzeitlich selbst Musik in diesem Bereich gemacht hat. Auch sein Studium der Philosophie hat den Italiener geprägt. »Ich war fasziniert vom Gedanken des Archivs«, sagt er und erklärt damit nebenbei auch den Namen seines Projektes. »Ein versteckter, immaterieller Ort, in welchem Dinge gesammelt werden; wo das Sammeln auch bedeutet, eine dialektale Verbindung zwischen diesen Dingen, der Welt und diesen Zeiten zu schaffen.«_ Der eigene Geschmack steht für ihn bei der Kuration des Archivio Diafònico nichtsdestotrotz im Fokus.

Auffällig ist trotzdem, dass einige der Releases auf Archivio Diafònico viel mit philosophischen oder konzeptuellen und kulturellen Referenzen arbeiten. Das Projekt 70fps zum Beispiel speist sich vor allem aus Filmmaterial, der Künstler Tourette befasste sich auf seinem letzten Release mit der Lyrik der Schriftstellers Jacques Dupin und schon die allererste Veröffentlichung auf Archivio Diafònico, »The Great Transformation« von Espositos Projekt Matar Dolores bezog sich auf einen Wirtschaftstheoretiker. »Ich ziehe letztlich ein starkes, ausdefiniertes Konzept, das durchaus auch esoterisch sein kann, einem formalen oder esoterischen Zugang auf Philosophie, Literatur oder Ästhetik vor«, sagt er. Merklich aber ist, dass das Archivio Diafònico vor allem italienischen KünstlerInnen eine Plattform bietet. »Experimentelle Elektronik, Elektroakustik und Noise haben hier seit den 1920er Jahren eine stark ausgeprägte Tradition entwickelt«, erklärt Esposito. »Viele der verschiedenen Realitäten – ich denke nicht, dass sich wirklich von ›Szenen‹ sprechen ließe – tragen das weiter.« Als Botschafter für diese Musik sieht er sich allerdings nicht, freut sich aber, daran teilhaben zu können. Seine Arbeit an dem wachsenden Archiv will er deshalb beständig ausweiten. ■ Kristoffer Cornils

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Danse Noire ist ein 2013 von Aïsha Devi, Niels Wehrspann, Raphaël Rodriguez und Samuel Antoine in Luzern gegründetes Plattenlabel aus der Schweiz. »Es gibt da eine Art glückliche Chemie, wenn wir zu viert sind«, beschreibt Initiatorin Aisha Devi, die selbst auf Danse Noire veröffentlicht hat, die gemeinsame Zusammenarbeit. »Es ist ein vierseitiges Yin-Yang, da wir alle aus unterschiedlichen musikalischen Richtungen kommen. Niels, der das Artwork macht, ist mehr ein Kind von Neunziger-Elektronik, Sam und Raph kommen aus der experimentellen Rock-Szene und ich habe mit Hip Hop und Industrial angefangen«. Sie alle eint die Liebe zu elektronischen Sounds, die auf Danse Noire dem Namen entsprechend mit düsterer Note daher kommen. »Wir sind auf der Suche nach AußenseiterInnen, die ihr Unwohlsein am besten durch Musik ausdrücken können«, heißt es dazu. Mit adoleszentem Gehabe hat das aber weniger zu tun – Devi sieht offensichtlich viel politisches Potenzial im Label. »Wir versuchen, die Leute in eine kollektive Dynamik von Bewusstwerdung und Selbstermächtigung miteinzubeziehen. Wir versuchen, eine schöne neue Welt zu schaffen, die die unsichtbare mit einschließt«_, sagt sie.

Devis Worte über das Label mögen esoterisch klingen. Genau darum aber geht es Devi zum Teil. »Ich denke, Musik kann Avantgarde und Spirituelles zugleich vereinen. Wir alle bei Danse Noire sind uns einig, dass die Gesellschaft des Spektakels kollabiert und wir kommen bei einer neuen Definition von Musik an«, sagt sie. »Chaos trägt Kräfte der Veränderung.« Ebenso chaotisch wie geheimnisvoll kann auch die Musik von Danse Noire klingen, wo neben Devi selbst unter anderem auch IVVVO, Vaghe Stelle oder Haf Haf veröffentlicht haben. Nachdem die beiden ersten Releases noch digital erschienen, wurde in der Folge mit wachsendem Erfolg auf Vinyl gesetzt. Geprägt wird dieses von einem auf den ersten Blick schlichtes Design, das hohen Wiedererkennungswert besitzt. »Unser Artwork ist ebenso zurückhaltend wie konzeptuell«, erklärt Devi. »Es zielt darauf ab, die Erosion unserer Gesellschaft durch die unbeholfene Schönheit von mondänen Internet-Schnappschüssen aufzudecken.« Dort rekrutieren die Vier von Danse Noire schließlich auch ihre Artists. »Es gibt ein Dark Net für Musik!« Und wer, wenn nicht ein Label mit dem Namen Danse Noire, sollte dort auf die Suche gehen? ■ Kristoffer Cornils

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Macadam Mambo ist ein 2009 von Sacha Mambo und Guillaume Des Bois in Paris gegründetes Plattenlabel aus Frankreich. Hervorgegangen ist Macadam Mambo aus einer in Paris gestarteten Partyreihe, die später in Lyon fortgeführt wurde. »Wir haben uns dazu entschlossen, aus Macadam Mambo ein richtiges Label zu machen, weil wir dort unsere eigenen Edits und später auch Produktionen veröffentlichen wollten«, erklärt Sacha Mambo nüchtern. Das Motto des auf ausgefallene Disco-Sounds spezialisierte Imprint bringt die Prioritäten auf den Punkt: »L’important dans la vie c’est de continuer de danser!«, zu Deutsch: Es ist im Leben wichtig, mit dem Tanzen weiterzumachen. Ein Zitat, das auf den ehemaligen Staatsfeind Nr. 1 Jacques Mesrine zurück geht. »Ich weiß nicht, ob es wirklich unsere Philosophie repräsentiert, aber alle verstehen, was dahinter steckt: Die beste Musik zu finden, unsere Hörerschaft in neue Dimensionen zu katapultieren, in denen Neugier, Durchgeknalltheit, Risiko, Wagemut und Überraschung die wichtigsten Ingredienzien ihres Lebens oder zumindest Nachtlebens werden.«_

Ein Macadam Mambo-Release muss deshalb das Gegenteil von langweilig und besser als nur gut sein – Genres spielen keine große Rolle bei der Selektion. Post-Punk, Reggae, Disco, Techno oder Pop finden sich im Backkatalog, die meisten der Artists sind persönlich mit den Labelbetreibern, die ihre Arbeit salomonisch aufteilen, bekannt. »Ich muss mir schon sicher sein, dass sie für etwas einstehen, mit dem ich mich identifizieren kann«, sagt Sacha Mambo. »Dass sie zum Beispiel Digger oder ProduzentInnen sind und nicht nur Geeks, die unbedingt eine Platte auf einem coolen Label herausbringen möchten.« Viel Liebe zum Detail wird auch in die verschiedenen dem Hauptlabel zugeordneten Serien gesteckt. Fein säuberlich wird in Edits, Trax und LPs unterschieden und von Sacha Mambo persönlich in ein Artwork verpackt, das für ihn vor allem kohärent sein sollte. Dass dabei der Schwerpunkt häufig auf ebenso exotisch aussehende wie klingende Platten gelegt wird, ist Sacha Mambo zufolge keine Absicht. »Wir haben viel europäischen Disco-Kram neben östlichem beziehungsweise fernöstlichem veröffentlicht«, räumt er ein. »Aber ganz unabhängig von Herkunft und Genrezugehörigkeit geht es uns hauptsächlich darum, Musik zu veröffentlichen, die obskur, unbekannt, speziell und groovy ist!«Kristoffer Cornils

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Shift LTD ist ein 2012 von Gianluca Marcelli gegründetes Plattenlabel aus Italien. Nach dem ersten Release stieß Francesco Gori vom italienischen House-Duo DNArt dazu, mittlerweile ist auch sein Bruder Luca mit an Bord. »Wir treffen uns täglich, um unsere Entscheidungen bezüglich der A&R-Arbeit, Promotion Bookings und alles weitere zu besprechen«, berichtet Marcelli. Am liebsten natürlich im Studio von DNArt, wo deren analoges Equipment zu Jam-Sessions einlädt. Der warme Sound dieser Geräte ist auch auf den Releases von Shift LTD zu hören. »Wir sind vor allem vom klassischen Deep House und Techno der neunziger Jahre inspiriert. Dort liegen unsere Wurzeln und diese Zeit war unserer Ansicht nach die beste für viele KünstlerInnen von damals«, so Marcelli. Das erklärt auch, warum sie beispielsweise mit Enrico Mantinis »Different Perspectives« zwei Stücke aus dem Jahr 1993 wiederveröffentlichten. »Natürlich aber werfen wir auch ein Auge auf die Zukunft und andere Genres wie etwa Jazz, Funk, Disco oder Hip Hop.«_

Die A&R-Arbeit des Trios beschränkt sich dementsprechend nicht allein auf das persönliche Umfeld, Festivals oder das Internet, sondern findet auch auf Flohmärkten, in Plattenläden oder mit Vinyl vollgestopften Kellern statt. »Unsere Freundinnen sind echt verzweifelt«, lacht Marcelli. Der Name für ihre »Basement Traxx«-Compilation-Serie kommt deshalb nicht von ungefähr: Darauf präsentieren die drei Italiener neben ihren eigenen Produktionen die kleinen Schätze, die sie auf ihren akribischen Erkundungstouren zutage befördert haben. Veröffentlicht wird auf Vinyl und ganz nach klassischen Designmaßstäben in minimalistischer Aufmachung. Im Zentrum des mit viel Leidenschaft betriebenen Labels soll nämlich nur eines stehen: »Zeitlose Musik.«_ Wenn das mal keine Ansage ist. ■ Kristoffer Cornils

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