Review

Die Wilde Jagd

Geisterfahrer

Correspondant • 2017

Dieser Tage führen alle Wege nach Düsseldorf und aus Düsseldorf alle Wege hinaus. Die sogenannte »Electri_City« schmiedet im Salon des Amateurs nicht allein die derzeit interessanteste elektronische Musik, sondern steht auch im Fokus von zahlreichen Neuverwertungsbemühungen. Krautrock- Konferenzen und Oral Historys gehören dazu ebenso wie zahlreiche Reissues von etwa Conrad Schnitzler oder zuletzt einer Compilation auf Bureau B, die den dortigen Kassetten-Underground der achtziger Jahren abbildete. Ralf Beck hat mit Karl Batos von Düsseldorfs Weltexport Kraftwerk zusammengearbeitet, Sebastian Lee Philipp hat sich seine Sporen mit dem Varieté-Pop-Act Noblesse Oblige verdient. Kennengelernt haben sich die beiden, natürlich, im Salon des Amateurs und ihre erste LP erschien, na klar, auf dem sonst auf Reissues spezialisierten Bureau B. Letzten Sommer allerdings zeigte auch Jennifer Cardini Interesse an dem mittlerweile nach Berlin emigrierten Duo und veröffentlichte den Track »Drachenfels« auf einer Werkschau ihres Labels Correspondant. Keine Überraschung, schließlich ist auch Cardini als DJ und Labelbetreiberin wavigen und krautigen Sounds absolut zugetan. »Geisterfahrer« wartet ebenfalls mit dem achtminütigen Ausdauerminimalismus von »Drachenfels« auf und stellt dem das noch etwas spannendere Stück »Geisterfahrer« nebenan. Das Prinzip ist dasselbe, der Rhythmus flotter. Röhrende, Acid-nahe Sequenzen, zischelnde Hi-Hats und ein langsamer Drum-Beat nehmen sich gute sieben Minuten, um entlang einer Beinahe-Bassline ein bisschen Langstreckenpsychedelik zu simulieren. Die Wilde Jagd sind Schichtarbeiter in bester Düsseldorfer Tradition, lassen ihre Musik per Layer und Layer anschwellen und doch bricht sie sich keine Bahnen – das große Finale bleibt aus. Ganz ähnlich der Factory Floor-Mix, welcher das Midtempo-Stück in eine noch kargere Ästhetik überführt und ein bisschen Hardware-Magie und deplatzierte Drum-Fill-Ins in den Mix wirft. Understatement-Musik, die im richtigen Moment viel bewirken kann, weil sie recht wenig tut. Ziemlich Düsseldorf also.