»Ever since you were a kid, you could cry on command« – falls sich Matt Berninger hier selbst meint, kauf ich ihm das sofort ab. Das frei abrufbare Weinen in Liedform hat er perfektioniert, somit ist die auffälligste Zeile im Opener »Inland Ocean« (wiederum) ’ne Lüge: »I have no emotion«. Die Frage ist, ob uns der 54-Jährige seine Emotionen schon oft genug aufgetischt hat …
Die Antwort: Nein! Zwar geht es weiterhin um diverse, ähm, Krisen – Freunde werden zu Staub, solche Sachen – und natürlich ist Berningers Rolle weiterhin die eines Leidenden. Doch seine Persona wirkt nie wie eine übersentimentale Schauspielperformance, die verzweifelt nach einem Oscar bettelt. Diese Gratwanderung gelingt ihm immer wieder: als Frontmann von The National, mit seinem halbvergessenen Nebenprojekt EL VY oder eben unter eigenem Namen. Die zweite Soloplatte von Matt Berninger, Get Sunk, entstand diesmal mit dem Produzenten Sean O’Brien – und ist um Längen besser als die letzten beiden Alben von The National.
Man betrachte das ultraeingängige Highlight »Bonnet of Pins«, das von einer mysteriösen, plötzlich jünger aussehenden Frau in federnder Jacke handelt. Oder, noch besser: »Nowhere Special«. Berningers Vocal-Performance ist hier großartig – er kann sich nicht zwischen Singen und Spoken Word entscheiden. Wie kann etwas derart Unsortiertes so anziehend sein? Das Arrangement baut sich immer weiter auf, er versucht, die Wörter in die Takte zu quetschen, und geht irgendwann unter; man versteht nix und hängt trotzdem an jedem Wort. Sogenannter Mumble-Indie.

Get Sunk Black Vinyl Edition