Review

Nermin Niazi

Disco Se Aagay

Discostan • 2021

»Rescued from Obscurity« – vor der Vergessenheit bewahrt. Das ist im Falle von »Disco Se Aagay« keine hohle Phrase eines Diggers, der in Berlin verwahrloste Schallplatten vom Straßenrand klaubt, sondern ein musikarchäologischer, erinnerungskultureller Verdienst. Geleistet hat diesen Discostan ein Label aus Los Angeles, geführt von Arshia Haq und Jeremy Loudenback. Erstere stieß in einem New Yorker Plattenladen auf das Album, das, erstmals 1984 veröffentlicht, New Wave und Disco in ganzheitlichem Rahmen zusammendenkt. Hinter der Musik steckt ein Geschwisterpaar, das zum Zeitpunkt der Produktion noch bemerkenswert jung war: [Nermin Niazi](https://www.hhv-mag.com/de/glossareintrag/6587/nermin-niazi,) die für den Gesang verantwortlich zeichnet, zählte ganze 14 Jahre, ihr Bruder, Feisal Mosleh, der die Beats in Eigenregie zusammenschusterte, 19. Unausgegoren klingt auf »Disco Se Aagay« dennoch nichts, eher strahlt die LP über eine Spielzeit von 47 Minuten – elf Tracks, davon zwei Remixe – eine Unbekümmertheit ab, auf die sich die Geschwister noch heute einiges einbilden dürfen. 1971 siedelte ihre Familie aufgrund des Bürgerkriegs aus Pakistan nach Birmingham um, wo Niazi und Mosleh zur Tat schritten und in ihrer Muttersprache Urdu dieses veritable Kleinod aufnahmen, dessen Titel sich in etwa mit »Jenseits von Disco« übersetzen lässt. Der Platzhirsch unter den Stücken ist unbestritten »Sari Sari Raat«, das die beiden bereits erwähnten Remixe nochmals aufgreifen. Abseits davon herrscht keineswegs nur ausgelassene discoide Stimmung, wie »Chala Hai Akela« beweist, auf dem Niazi Elizabeth Frazer von den Cocteau Twins erstaunlich nahe kommt. Grandioses Album.