Bislang veröffentlichte Tom Boogizm mehrheitlich komplexe DJ-Mixe und Radio-Sets zwischen Dancehall, Bass, Techno und allen möglichen Genres, die man eigentlich in Anführungszeichen schreiben müsste. Wobei – ist »veröffentlicht« überhaupt das richtige Wort? Seine Musik, auch die Beattapes unter seinem eigenen Namen, wird eher losgelassen und fließt in eine sehr kleine Öffentlichkeit. Mit etwas Glück darf man das dann finden – und sich davon überfordern lassen. Die Release-Flut als Rat Heart ist angenehm unübersichtlich. So folgte im vergangenen Jahr auf Modern Love eine Single, bei der sein Vorhaben, Songwriter- und Soul-Musik durch Öllachen und Staub zu ziehen und anschließend alles mit Schleifpapier zu polieren, bemerkenswert dicht und unheimlich umgesetzt wurde. Jetzt mündet dies in Dancin‘ In The Streets, einem Album, das nicht weniger ist als eine kleine Sensation.
»OPERATION ALWAYS BE A BRAVE LITTLE CUNT« ist diese Art von verzerrter Powerballade, bei der ein schlurfig peitschender Beat gegen die kaum zu verstehende Stimme von Boogizm ankämpft, während andernorts Gniedelgitarren in den Nebel spielen und kleine Piano-Tupfer von Feature-Gästin Cansu Kandemir umgarnt werden. Auf »I DON’T KNOW YET« schließt spooky Unterwelt-Folk jahreszeitengerecht die Jalousien. Kaum ein Track hat mehr als drei Zutaten – und selbst diese interessieren sich mehr für das, was nicht zu hören ist: das Unsichtbare, das Unausgesprochene, das Unwirkliche. Ein spätes, großes Highlight des Jahres.

Dancin' In The Streets
