Review

Ruins

Marea / Tied

Music From Memory • 2019

Direkt aus der Galerie in die Boxen – mit über 35 Jahren Verspätung. Zumindest für die meisten Hörer. Denn das Album »Marea/Tide« von Ruins erschien bereits Anfang der 1980er Jahre. Allerdings dürften sowohl die Platte als auch die Band den meisten Menschen nichts sagen. Was nicht dramatisch ist. Denn Piergiuseppe Ciranna und Alessandro Pizzin machen keine Musik für die Massen. Vielmehr, es lässt sich nicht anders bezeichnen, eben Kunststudentenkacke. Synthesizer, Ambient, Drone und so weiter und so fort. Gemeinsam mit dem Künstler Luigi Viola arbeiteten Ciranna und Pizzin an diesem Album, das dann mit 600 Kopien auf den Markt kam. Allerdings über Streitigkeiten und andere unglückliche Umstände geriet »Marea/Tide« fast vollständig in Vergessenheit. Bis eben jetzt. Wobei die große Frage ist: Klingt dieses Album einfach im 21. Jahrhundert immer noch sehr frisch und unverbraucht? Oder hat sich einfach seit Anfang der Achtziger in dem Genre experimenteller Musik nicht mehr viel getan? »The Love We‘ve Shared« reiht sich problemlos in die Stücke des Genres aus der heutigen Zeit ein. In »Petit Portrait« mogelt sich eine kleine Melodie an einem Drum-Computer vorbei, wobei das alles sehr karg und minimalistisch daherkommt. Die Platte entstand eben im Austausch mit dem Künstler Luigi Viola, sie ist der Soundtrack zu Ausstellungen mit seinen Werken gewesen. Daher fehlt natürlich in der heutigen Rezeption etwas. Es lässt sich dabei aber nicht einmal sagen, ob es ein essentieller Teil dieses Albums ist. Was ein Kompliment ist. Denn immerhin bringt »Marea/Tide« genug Eigenständigkeit mit, sodass diese Frage aufkommt. Damit dient dieses Album von Ruins nicht nur als historisches Stückwerk, sondern eben auch als kleiner Genuss für Kenner des Genres.