Die Tragödie speist den Mythos. Scientifik’s Biografie kombiniert sogar beides. Denn das Debütalbum Criminal von 1994 ist die Vinyl-gewordene »Was-wäre-wenn…«-Frage. Zehn Tracks, die Straßenphilosophie, sattelfeste Battle-Rhymes sowie Atmosphäre und Attitüde einer Ära konservieren, als NYC Hip-Hop-Hauptstadt war und man Basecaps noch geknickt trug.
Doch selbst in Auskennerkreisen galt The Most Blunted stets als Geheimtipp. Obwohl – und ja, das mag für die Technics-1210-Besserwisser jetzt wie Blasphemie klingen – Criminal als Eastcoast-Blaupause gar direkt neben Illmatic thronen könnte. »To the East Coast stealers and the dealers / They’re the ones that really feel this on the realest«, representet der gebürtige Brooklyner aus Lawrence entsprechend auf »Jungles of da East« und macht damit deutlich, dass das hier nur für Ohren bestimmt ist, die genug Platz im Herz und im Kallax haben, wenn RZA, Diamond D oder Buckwild lockere Saxofon-Steps über Filter-Bassläufe und Drum-Breaks schweifen lassen.
Scientifik’s Songwriting und leichtfüßige Flows matchen darauf so routiniert wie ein Paar Timbos zur Camou-Baggy, dass man sich fragt, wie es klingen würde, wenn er sich mal anstrengt. Dass mangels Promo und/oder labelseitiger Insolvenz Criminal auch noch von Scientifik selbst aus dem Kofferraum heraus verkauft wurde, macht die Retro-Romantik perfekt – und Criminal zum schlafenden Riesen. Im Osten geht die Sonne auf.

Criminal (30th Anniversary)