Für Jazzpianisten ist das Soloalbum so etwas wie die Meisterprüfung. Die hat Stanley Cowell bravourös bestanden und mit Musa: Ancestral Streams ein Album geschaffen, das als wegweisend für Solo-Piano-Platten im Jazz gilt. Es erschien 1974 erstmals auf Strata East, dem Label, das Cowell gemeinsam mit dem Trompeter Charles Tolliver gegründet hatte. Zu dieser Zeit waren Solo-Piano-Alben stark im Trend. Paul Bley, Keith Jarrett, Chick Corea, Mal Waldron und Sun Ra mischten in den 1970ern im Solo-Game mit – und das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Auf Musa: Ancestral Streams spielt Cowell drei Instrumente: ein akustisches Piano, ein elektrisches Piano und eine Kalimba – ein afrikanisches Daumenklavier. Allein mit dieser Wahl besinnt er sich auf die »Ströme der Ahnen«, auf die der Albumtitel anspielt, und schlägt eine Brücke zwischen musikalischer Tradition und Moderne. Es beginnt energiereich mit »Abscretions«, das irgendwo zwischen Thelonious Monk und Abdullah Ibrahim verortet ist. In »Equipoise« zeigt Cowell den introspektiven Lyrismus, den man gerne mit dem Piano verbindet. Und in »Travelin’ Man« spielt er mit sich selbst im Duett – an Kalimba und elektrischem Piano. Gegen Ende des Albums, in »Departure No. 1«, fliegt Cowell nicht nur in atemberaubender Geschwindigkeit über die Tasten, sondern stößt auch in freie Bereiche vor. Die »Ancestral Streams« sind da längst in der Gegenwart angekommen.

Musa: Ancestral Streams