Review

Won ABC

Colour Kamikaze

Gingko Press • 2013

»Colour Kamikaze« ist das Comic-Debüt des Münchner Graffiti-Pioniers WON von der legendären ABC-Crew. Er hat mit der Arbeit an diesem beachtlichen Werk begonnen, nachdem der Bayerische Freistaat nach einem zweifelhaften Schauprozess eine Bewährungsstrafe über ihn aufgrund seiner ausgesprochen talentierten Sachbeschädigungen verhängt hat. Der Comic ist wahrlich ein End-To-End-Burner. Er erzählt vom Nikolaus und dem Osterhasen, die sich von ihrer heruntergekommenen WG aus aufmachen, um den Kampf gegen bösartige, kulturfeindliche TV-Dämonen anzutreten. Einer muss schließlich für das Wohl der Welt einstehen, nachdem die Menschheit quasi komplett durch übermäßigen Fernsehkonsum verblödet ist und die einstige Gallionsfigur des Guten, Jesus, nur noch vor der Spielkonsole abhängt. Das Werk beeindruckt vor allem aufgrund der grafischen Meisterleistung, die WON hier lässig exerziert. Sein bahnbrechender Wildstyle funktioniert auch auf Papier hervorragend: »Colour Kamikaze« ist ein fast schon psychoaktiver Farbrausch voller apokalyptischer Visionen und überbordender Details. Man verliert sich sprichwörtlich in den synapsensprengenden Bildkompositionen, für die man ruhig mal die Attribute krass und irre bemühen darf. Der Comic selbst nimmt in dem Band übrigens nur knapp die Hälfte der 120 Seiten ein. Wer nach seiner Lektüre noch nicht überzeugt ist, dass WON ein wahrer Character-King ist, der wird es dann definitiv nach der Ansicht der zweiten Buchhälfte sein. Mehr noch: Wer dem Phänomen Graffiti bis dahin eher argwöhnisch gegenüberstand, muss zweifellos eingestehen, dass es in dieser subkulturellen Ausprägung tatsächlich Kunst zu entdecken gibt. Schließlich liefern die versammelten Sketches und Fotografien von in Auftrag gegebenen oder illegalisierten Arbeiten, die die zweite Hälfte von »Colour Kamikaze« bilden, ein eindrucksvolles Zeugnis darüber ab. WON lässt die allermeisten der Frischlinge, die unter dem Sammelbegriff Street Art einen künstlerischen Anspruch für sich erheben, meilenweit hinter sich – seit 1987 till infinity!