Allah-Las – »Die Jungs sind sooo retro!«

04.01.2013
Foto:Innovative Leisure
»Jetzt haben wir Bullshit-Videos«, sagt Matt von Allah-Las im Interview. Was die vier Jungs gegen ihre eigenen Videos haben und was das mit einem Gig zwischen Dinosauriern zu tun hat, könnt ihr hier nachlesen.

Die Bandgeschichte von Allah-Las liest sich wie das Drehbuch für einen neuen US-Serienhit: Vier junge, gut aussehende Surfer-Boys aus Kalifornien gründen eine Band und verlieren nach und nach ihre Freundinnen. Drei der vier (Matt, Miles und Spencer) kennen sich schon seit der Highschool, später arbeiten drei der vier (Matt, Pedrum und Spencer) gemeinsam in einem von Los Angeles‘ wichtigsten Plattenläden, Amoeba Records. Sie teilen eine Vorliebe für Vinyl aus den Sechzigern bis Achtzigern und jeder tüftelt bereits an einem eigenen musikalischen Projekt herum. Als die Jungs entschließen, gemeinsam Musik zu machen, kann keiner Schlagzeug spielen; Matt lernt es kurzerhand, Kumpel Nick Waterhouse hilft bei den Aufnahmen und im September 2012 veröffentlichen Allah-Las ihr selbstbetiteltes Debütalbum. Wir trafen die vier in Basel.

Euer Debütalbum ist nicht nur eine Hommage an die 1960er Jahre, sondern klingt als wäre es tatsächlich damals aufgenommen worden? Wie habt ihr diesen verstaubten, analogen Sound erreicht?
Pedrum: Die Produktionsweise von Nick Waterhouse und das Studio [Distillery in Los Angeles, Anm.d.Red] haben maßgeblich zu diesem Sound beigetragen.
Miles: Du hast staubig gesagt – das Studio ist buchstäblich sehr staubig und dreckig…
Pedrum:… ich bin jedes Mal krank geworden, als wir dort aufgenommen haben. Außerdem stehen da jede Menge alte Aufnahmegeräte herum. MikeQ, der Besitzer des Studios, ist so etwas wie ein verrücktes Genie; er hat sie für Musik-Aufnahmen angepasst. Also Mike und Nick zusammen – ihr Wissen hat geholfen, dass das Album klingt wie es klingt.
Miles: Wir haben versucht einiges digital aufzunehmen, mit Pro-Tools, aber wir waren nicht glücklich damit.
Pedrum: Um fair zu sein: Wir haben die Songs damals auch beschissener gespielt. (Gelächter)
Miles: Wir fangen immer gerade an cool zu klingen und dann springt Pedrum ein und wir klingen wie Idioten.

Die Bezeichnung »psychedelisch« taucht oft auf, wenn man über euch liest…
Matt: ..das ist eine Bezeichnung, die die Leute ständig falsch verwenden…
Pedrum: …sie wird willkürlich herumgeschmissen. Wenn ich an psychedelische Musik denke, denke ich an die Spacemen-3-Platte »Taking Drugs To Make Music To Take Drugs To«. Das ist zwar nicht worauf wir abgezielt haben, obwohl ich denke, dass die Leute es genießen unsere Musik zu hören, während sie auf Drogen sind – das ist absolut okay für uns. Aber textlich bezieht sich unsere Musik nicht auf Drogen-Konsum.
Ich zitiere: »Allah-Las klingen mehr nach dem L.A., von dem die Leute tagträumen, als nach dem echten L.A.« Was ist der Unterschied zwischen den beiden?
Matt: Wir sind in L.A. aufgewachsen. Wir haben Dinge gesehen, die Leute normalerweise nicht zu sehen bekommen, wenn sie nur zu Besuch in L.A. sind. Ich denke, dass der Rest der Welt Los Angeles als ein großes, überfülltes Durcheinander sieht. Wir sehen aber auch, was es so gut macht und filtern das in unsere Musik. Ich denke, dass Leute sagen, das unsere Musik ihre Tagträume von L.A. porträtiert, weil wir Los Angeles auf eine Art romantisieren.

»Wir kriegen diese Presseberichte, als hätten wir einen Vietnam-Song geschrieben, als würden wir uns wünschen, zurück in diese Zeiten können; als würden wir uns an unsere Zeit in Vietnam erinnern«

Matt von Allah-Las
Okay, etwas spezieller: Wie klingt denn euer L.A., wie riecht es, was machen die Leute?
Spencer: Ich denke, unser Album klingt, wie Los Angeles an einem verregneten Tag.
Matt: Es riecht definitiv nach mexikanischem Essen. Und Staub und Sand und dem Ozean.
Miles: Abgase! Aber ich glaube die Sache mit Los Angeles ist, dass es so viel aufzusaugen gibt; es ist so weitläufig, dass es unmöglich ist, es in einem kurzen Zeitraum wertzuschätzen. Vielleicht ist unser Schlüssel auch einfach, dass wir immer versuchen, die besten Dinge zu finden.
Matt: Wir sind ein bisschen wie »Digger«: Wir suchen immer Platten, die Leute noch nicht gehört haben und Orte, an denen Leute noch nicht waren…
Pedrum: (lacht) Okay, lasst uns jetzt den Mund halten!

Gut, dann zurück zu eurem Album: Die Musik klingt leicht und gut gelaunt, aber die Texte handeln viel von Verlust. Wie kam es zu dieser Mischung?
Matt: In der Übergangsphase von Musik als Hobby zum Musikmachen als Vollzeit-Sache, hatten wir alle ein paar ernste Brüche in unserem Leben; mit unseren Freundinnen…

Ihr alle zur selben Zeit?
Miles: Ja, einfach per Zufall.
Pedrum: Es war wie ein Domino-Effekt…
Miles: Was lustig ist, ist dass sie alle in unseren ersten Videos mitgespielt haben und dann eine nach der anderen gegangen ist. Und jetzt haben wir…Bullshit-Videos, die uns überhaupt nicht repräsentieren (Gelächter).

Was ist so beschissen an euren Videos?
Matt: Naja, unsere ersten Videos hatten keinen PR-Push oder so und wurden einfach nur mit Pedrums alter Super-8-Kamera gefilmt. Diese Videos mögen wir sehr. Aber die letzten drei [»Tell Me What‘s On Your Mind«, »Busman‘s Holiday« and »Vis-a-Vis«] wurden von anderen Personen gedreht – sie repräsentieren nicht wie wir uns der Welt gegenüber fühlen, und auch nicht unseren Sound.

Die Kombination aus euren Videos, eurer Musik und den Lyriks geben mir den Eindruck, dass ihr ziemlich nostalgisch seid?!
Pedrum: Ich empfinde das als Kompliment. Es ist ein sehr schweres Gefühl; es ist schön, dass wir dieses Gefühl mit dem was wir machen erzeugen.
Miles: Ich bin schon als Kind nostalgisch gewesen. Ich war besessen vom Mittelalter und von den Tom-Sawyer-Zeiten. Ich liebe es auch Bücher über Los Angeles in den 20ern, 30ern, 40er usw. zu lesen. Ich glaube unsere Musik beschwört dieses nostalgische Gefühl irgendwie herauf; das Gefühl, das ein mal etwas war, das nicht länger ist.
Matt: Aber wir haben auch einen Song – »Busman‘s Holiday« -, der über Krieg handelt. Die Leute hören ihn und sagen: »Oh, das ist ein Song über Vietnam». Ist er nicht! Er könnte über jede Person in irgendeinem Krieg sein. Und wir kriegen diese Presseberichte, als hätten wir einen Vietnam-Song geschrieben, als würden wir uns wünschen, zurück in diese Zeiten zu können; als würden wir uns an unsere Zeit in Vietnam erinnern..
Pedrum: Ja, oder an unsere Zeit im ersten Weltkrieg..
Spencer: Die Jungs sind soooo »retro«! (Gelächter)

Glaubt ihr nicht, dass eure Faszination für alte Sounds und Bilder euch dieses »retro«-Klischee eingebracht haben?
Spencer: Das Versäumnis unserer Videos ist, dass sie zu der ganzen »retro«-Idee beitragen. Das ist nicht, was wir wollen.
Matt: Wir mögen Super-8, wir mögen Film. Das basiert alles nur auf unserem Geschmack. Ich betone, dass wir nicht nur Inspirationen von einer Zeit-Periode nehmen. Es sind eine Menge Perioden zusammengemischt. Wenn die Leute nur die Oberfläche von Pop-Musik sehen, werden sie nicht verstehen, was wir machen. Und ich glaube, dass ist der Fall – Leute sehen uns und denken: Oh, das sind einfach die Sechziger.
Pedrum: Wir haben angefangen die Bezeichnung »retro« in so vielen Witzen wie möglich zu verwenden. Vor einigen Wochen haben wir in einem Museum gespielt und gedacht: »Das ist die aller »retroste« Show, die wir je gespielt haben; umringt von Dinosauriern«.
Miles: Es ist schon merkwürdig, dass Leute Kunst als etwas Lineares sehen: »Oh, das ist alte Kunst, das ist neue Kunst«. Warum wird unsere Musik als »retro« betrachtet, während andere Musik, die von vergangenen Zeiten inspiriert ist, als neu angesehen wird?