Das hier wird Nick Waterhouse niemals lesen. Das behauptet er zumindest. Selbst gute Kritiken scheut er. »Dort stehen manchmal Dinge, bei denen ich mich nicht verstanden fühle. Das ist wohl ein Klischee über fast alle Leute, die Platten aufnehmen.« Es ist nicht das einzige Vorurteil, dass einem in den Sinn kommt, wenn man sich den 26-Jährigen aus Kalifornien so ansieht. Hornbrille, Anzug, Milchgesicht – die Nummer scheint ein typisches Abziehbild dieser ganzen Retrobewegung um den alten Soul und R&B zu sein. Und es steckt doch weit mehr hinter Nick Waterhouse als es die ersten Eindrücke vermuten lassen. Allein sein Debüt »Time’s All Gone« spricht eine eigene Sprache und besitzt den Charme des Originalen. Aufgenommen hat Waterhouse die Platte mit verschiedenen Musikern im Distillery in San Francisco. Alles analog und größtenteils live. »Ich bin in der Nähe des Studios aufgewachsen. Im Prinzip habe ich so gelernt, wie man den Sound auf das Tape bringt. Ich habe keine Ahnung, wie man andere Studios, Protools oder Geräte für die Aufnahme mit dem Computer nutzt.« Selbstbewusstsein liegt nun in seiner Stimme. »Auf der anderen Seite ist es auch der Ort, an dem ich das Gefühl hatte, dass ich den besten Sound bekommen würde – den Sound, den ich wollte.« Alles in allem dauerten die Aufnahmen vielleicht zehn bis zwölf Tage, doch gab es immer wieder Unterbrechungen. Die Band musste einen gemeinsamen Termin finden und das Budget war knapp bemessen. Einen Masterplan gab es an diesen Tagen nicht. »Alben sind eine Art von Augenblick und du kannst dein Bestes tun, um das zu festigen oder zu bearbeiten. Aber es ist ein Fakt, dass es das ist, was zu der Zeit passierte, als Du die Platte aufgenommen hast.«
Einen besonderen Moment hat es dann auch ans Ende des Debüts verschlagen, denn der Titeltrack ist in zwei Stücke aufgeteilt. Nach den ersten zwei Minuten waren Waterhouse und Band so drauf, dass nur ein paar Sekunden Stille vergingen, bevor sie weiter improvisierten. »Das ganze Stück, das ist es, wie ich mich fühle, wenn ich spiele. Es geht darum, die Kontrolle aufzugeben. Es fühlt sich sehr zornig an, aber das ist es nicht. Ein Freund von mir nannte es mal eine Mischung aus den Circle Jerks und den Champs. Diese Idee gefällt mir bis heute.« Mit den stampfenden Rhythmen und der leichten Übersteuerung im Sound fällt es nicht schwer, Referenzen in alten R&B-Aufnahmen zu finden. Dabei weist das Wort über sich hinaus für Waterhouse. »Ich mag R&B als Bezeichnung, weil es den Rhythmus und den Blues in sich hat. Beides sind Dinge, die für diese Musik wichtig sind. Das ist die modernste Beschreibung eines Genres, die ich je gehört habe.« Im Gegensatz zu Soul. Denn der Begriff ist mittlerweile nutz- und bedeutungslos. Traurig, denn es gehe dabei ja um weit mehr als nur Musik, sondern auch um die Seele des Menschen. Doch die Erklärung leuchtet ein. Und auch im Stil gibt es zu den Kollegen wie Mayer Hawthorne Unterschiede. »Eine Frau hat mich mal mit ihm verwechselt. Sie hatte zu viel getrunken und entschieden, dass ich jemand anders sei. Allerdings war das sehr beunruhigend, denn eigentlich trage ich bessere Anzüge als er.« Doch es ist nicht nur das, sondern auch diese Schwere, die mitunter in den Songs von Nick Waterhouse auftaucht wie etwa die trübseligen Bläser in »Teardrop Will Follow You« und seine ganze Platte so einzigartig klingen lässt. Im Titel »Time’s All Gone« findet sich das auch wieder. »Musik ist nicht- lineare Kunst. Es ist wie bei Gemälden oder Gebäuden. Es hört nie auf schön zu sein, nur weil es alt ist.« Also, keine Grenzen mehr, keine Einteilung nach Jahrzehnten, sondern alles im Fluss. Doch dahinter liegt noch etwas. »Wenn Du am Ende des Tages angekommen bist, was denkst du, bleibt dir dann? Am Ende deine Zeit, am Ende deine Lebens, am Ende von all unserer Zeit, was bleibt dann? Das ist die große Frage, auf die es hinausläuft.« Waterhouse sagt das, als hätte er die Antwort schon gefunden.»Es hört nie auf schön zu sein, nur weil es alt ist.«
Nick Waterhouse