New Record Labels #32 – Disco Halal, Discotexas, Foul-Up, Uncage

13.09.2017
Jeden Monat stellen wir euch Labels vor, die neu bei uns im Shop vertreten sind und/oder deren Entdeckung sich lohnt. Die Auserwählten diesmal: Disco Halal, Discotexas, Foul-Up und Uncage
(http://www.hhv.de/shop/de/musik/alle/label:disco-halal]) Disco Halal ist ein 2015 vom Produzenten und DJ Moscoman gegründetes Plattenlabel aus Berlin. »Was als kleine Blume begann, wuchs rasend schnell zu einem ganzen Wald heran«, beschreibt der in Berlin lebende Israeli mit, nun ja, blumigen Worten die Entwicklung seines Labels. Und richtig, auf eine kurzlebige Reihe von Club-Edits von Musik aus dem nahen und mittleren Osten folgten in kürzester Zeit eine ganze Reihe anderer Releases, die wiederum extrem viel Aufmerksamkeit auf sich zogen. »Die Edit-Serie hatte ihren Zweck erfüllt und meiner Ansicht nach war es an der Zeit, richtige Musik von denselben Artists zu veröffentlichen«, sagt der Produzent. Autarkic und Red Axes zum Beispiel sind dem Label bis heute erhalten geblieben und haben seit den ersten drei Katalognummern neben Kollaborationen und Remixen auch eigenständige EPs und Alben beigetragen. Gemeinsam mit dem Berliner Plattenladen OYE, wo das Label seinen Anfang nahm, und dem Label ESP Institute, wo Moscoman das Gros seiner eigenen Releases veröffentlicht, bildet sich ein kleines familiäres Netzwerk. »Wenn mich jemand danach fragt, wie ich meine A&R-Arbeit erledige, lautet die Antwort immer gleich«, so Moscoman. »Musik, die ich liebe – von Leuten, die ich liebe und deren Liebe ich erwidern will.«_

Schon eines der ersten Releases auf Disco Halal erregte internationale Aufmerksamkeit. Mit der Debüt-LP des obskuren Tony Carey-Projekts TCP veröffentlichte Moscoman eine Platte wieder, die in Sammlerkreisen hoch gehandelt und deren Reissue dementsprechend freudig begrüßt wurde. »Ich arbeite die ganze Zeit an Reissues«, gibt der als eklektische DJ bekannte Labelbetreiber zu. »Ich habe viele Ideen, aber es ist nicht unbedingt einfach und erfordert viel Geld und Geduld. Aber es kommt noch mehr.« Was die TCP-Platte zwischen all den über Disco Halal veröffentlichten Releases exemplarisch macht, ist ihre Unbekümmertheit in Hinsicht auf Konventionen und kulturelle Tellerränder andererseits. So wie bereits der Labelname scherzhaft Hedonismus mit Religion zusammenbringt, so tummelt sich auf Disco Halal Musik, die sich manchmal weit vom Dancefloor entfernt und neben traditionellen Elementen aus dem nahen und mittleren Osten ziemlich viel Punk in den Mix wirft, ob nun als Attitüde oder stilistische Beigabe. Die fortlaufenden Remix-Projekte wie etwa für das Label City Slang und vor allem unter den Artists selbst bekräftigen umso mehr, dass Disco Halal als Label ein kleiner und eingeschworener Kreis ist, der sich aber wiederum ganz und gar dem Austausch verschrieben hat. Letztlich also kein Wunder, dass dieses kleine Blümchen in dermaßen kurzer Zeit zu einem großen Wald angewachsen ist.

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(http://www.hhv.de/shop/de/musik/alle/label:discotexas]) Discotexas ist ein 2007 von den Produzenten Moullinex und Xinobi gegründetes, portugiesisches Label aus Lissabon. Obwohl die Musik auf Discotexas – omen est nomen – gerne unter dem Begriff Nu-Disco subsumiert wird, protestieren die beiden doch gegen eine dermaßen engmaschige Zuschreibung. »Wir haben uns auf so viele Stile ausgebreitet, meistens im Rahmen von Dance Music, aber manchmal auch über deren Grenzen hinaus«, sagen die beiden und verweisen auf ihren umfassenden Backkatalog: Da Chick macht Soul-Funk mit Hip Hop-Einflüssen, Throes + The Shine hat eine von Rock beeinflusste Kuduro-Platte bei ihnen veröffentlicht, Bufis Techno-Entwurf hat südamerikanischen Flavour und Hemi bleibt einem old-schooligen House-Sound treu. Nicht zuletzt wären da die Labelheads selbst, die regelmäßig auf ihrem eigenen Imprint veröffentlichen und von Psychedelic Rock bis lushen Ambient-Flächen gerne Dancefloor-fremde Elemente in ihren Sound einflechten. So schließlich haben sich die beiden auch kennengelernt, damals, über MySpace: Moullinex wollte einen Song von Xinobis damaliger Punk-Band remixen. Es wurde eine enge Freundschaft und schließlich in ganzes Label draus.

Am Anfang stand der ebenso bescheidene wie banale Wunsch, mit Discotexas eine Plattform für eigene Produktionen zu schaffen. Zu ihrem zehnjährigen Jubiläum konnten die beiden im Jahr 2017 auf wesentlich mehr zurückblicken, der Kreis der Discotexas-Artists jedoch ist überschaulich. Das Gros der Acts kommt wieder und bleibt bei Discotexas, nur selten gesellen sich neue Namen hinzu. »Es gibt einen Kern von Artists, die immer da sind und dann gibt es andere, die kommen und gehen«, heißt es seitens des Duos, das sich regelmäßig in verschiedenen Konstellationen mit Acts aus seinem Roster ins Studio setzt. »Wir arbeiten sehr familiär. Alle haben die Freiheit, außerhalb von Discotexas veröffentlichen.« So verstreut sich die Discotexas-Crew über die halbe Welt, selbst Moullinex tauschte die Heimatstadt Lissabon gegen das beschauliche München ein, kehrte aber 2012 wieder zurück und richtete sich ein gemeinsames Studio mit Xinobi ein. Aber obwohl Discotexas damit angekommen wären, bleiben die Dinge bei ihnen im Fluss. Wenn die beiden einen Plan haben, so klingt der dementsprechend entspannt: »Veröffentliche Musik, die du liebst, arbeite in einem familiären Umfeld und nimm dich bitte nicht zu ernst!« Ach, und: Nenn’s bloß nicht Nu-Disco. Discotexas bieten doch so viel mehr.

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(http://www.hhv.de/shop/de/musik/alle/label:foul-up]) Foul-Up ist ein 2016 vom Produzenten Nicolai Krog alias Misantrop gegründetes Plattenlabel aus Berlin. Den Startschuss gab der Däne selbst ab, die erste Katalognummer von Foul-Up war zugleich sein Produzentendebüt. Neben seiner Arbeit an allen Ecken und Enden des Muiskbusiness hatte Krog zuvor bei Indie-Labels das Management übernommen. Warum dann noch ein eigenes Label? Weil er sicher ist, etwas beitragen zu können, erklärt er. Nicht nur zur Szene allgemein, sondern auch ganz spezifisch für seine Artists. »Am Anfang aller Foul-Up-Releases stand die Idee, dass der Künstler von meinem Input profitieren könnte und der Input kam dann auch – manche würden vielleicht sagen, zuviel davon«, scherzt Krog. Das lässt sich allerdings umgekehrt genauso sagen. Krog hatte Probleme damit, seine Misantrop-Produktionen zum Abschluss zu bringen, bis ihn der Produzent Metalized Man ihm neues Material vorspielte. »Ich begriff, dass es für uns keine bessere Lösung geben könnte, als dass ich es veröffentliche«_, sagt der Labelbetreiber und gibt auch zu, dass er mit dem Label einen festen abgesteckten Rahmen für seine kreativen Output geschaffen zu haben.

Stilistisch allerdings steht Foul-Up ganz entschieden für Offenheit. Die Misantrop-EP widmete sich dubbigen weitgehend im Bereich von Techno, House oder Electro angesiedelten Exkursionen, Metalized Man hingegen ist eher in Drone, Noise und Ambient unterwegs während der Schotte Galaxian raue Electro-Derivate produziert und Beastie Responds knalliger Maximalismus sich aus jüngeren UK-Traditionen speist. Wo ist da der rote Faden? »Es gibt keinen«, heißt es klipp und klar. »Bei Foul-Up geht es darum, Grenzen einzubrechen und das ist schon die einzige Maxime.« Neben dem kreativen und freundschaftlichen Austausch zwischen ihm und seinen Artist zieht sich zwar kein roter Faden, dafür jedoch ein sattes Schmutzgelb durch den Backkatalog von Foul-Up. Tilmann Steffen Wendelstein vom Design Office The Simple Society kümmert sich um die Gestaltung und ist neben dem häufig im Berliner Stadtbild an Häuserwänden zu sehenden, markanten Farbton auch für die minimalistischen, von Release zu Release dezent voneinander abweichenden Artworks sowie das Label-Logo verantwortlich, welches den sprichtwörtlichen »Foul-Up« mit zittrigen Zickzackbewegungen symbolisiert. »Wenn es um Kunst und Musik geht, fand ich es schon immer spannend, was vor und nach dem fest Ineinandergefügten existiert und es noch Raum für Unsicherheiten gibt«, erklärt Krog. Das Schlamassel, das seinem Label den Namen verleiht, es soll produktiv werden und nicht nur musikalischen Genre-Purismus, sondern auch sein eigenes Publikum herausfordern.

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(http://www.hhv.de/shop/de/musik/alle/label:uncage]) Uncage ist ein 2015 von Marco Faraone und Norman Methner gegründetes Plattenlabel. Der eine lebt in Florenz und ist ständig auf Tour, der andere ist vor allem in Berlin unterwegs: Nein, einfach klingen die Bedingungen für eine Zusammenarbeit zwischen dem italienischen Produzenten und seinem deutschen Kollegen nicht. Aber wofür gibt es Skype und regelmäßige Abstecher nach Florenz zur Organisation von Releases – nun ja, es könnte wohl Schlimmeres geben. Kennengelernt haben sich Faraone und Methner an einem noch pittoreskeren Ort. Methner arbeitete 2013 in Rimini für den Club Cocorico, wo sich die beiden auf den Weg liefen und lose in Kontakt blieben, bis Farone im folgenden Jahr mit der Idee eines gemeinsamen Labels ankam. »Ich habe sofort zugesagt«_, erinnert sich Methner, der unter anderem schon für Labels wie DJ Hells Deejay International Gigolo gearbeitet hat.

Während sich Faraone nach der Trennung von seinem Geschäftspartner neu orientieren wollte, sah sein neuer Partner noch eine andere Chance im Neubeginn. »Meine Motivation war es, endlich Musik von Freunden releasen zu können, die mir so zahlreich geschickte wurde. Zum Beispiel von Pablo Mateo, der mir seit er angefangen hat zu produzieren immer seine Sachen geschickt hat.« Mateo bestritt auch gleich nach einer Auftakt-EP von Faraone selbst sowie einer Single von Eduardo de la Calle und einer Mini-Compilation mit unter anderem Hertz Collision eine der ersten Katalognummern. Dennoch bleibt es nicht bei nicht bei persönlichen Kontakten. »Hertz Collision habe ich zum Beispiel gefunden, als ich mich zufällig durch ein Dr. Motte-Set geskippt habe – darf ich das überhaupt sagen?«, lacht Methner. Neue Gesichter wie Branko Stojanov und Reformed Society wurden ebenso nicht unbedingt auf konventionelle Art gesignt: Den einen entdeckte Methner auf Soundcloud, den anderen gleich auf der Facebook-Page von Uncage. Gerade für junge Artists bieten Uncage dann auch gleich das volle Programm und laden etablierte Künstler für Remixe ein.

Worauf aber kommt’s dem italienisch-deutschen Duo eigentlich an? Methner erzählt, dass die beiden Partner meist schon beim ersten Hören einer Demo wissen, ob sie einen Artist auf Uncage veröffentlichen wollen oder nicht. Nicht, dass sich die beiden dabei beschränken würden. »Wir sind mit Uncage nicht auf ein bestimmtes Genre aus«, unterstreicht Methner. »Wir veröffentlichen House und Techno… No limits!« Der Name Uncage ist schlussendlich also programmatisch zu verstehen: Zwischen Techno und House sowie darüber hinaus soll und darf alles möglich sein. Da sind sich die beiden einig. Daran ändert weder der volle Terminkalender noch geografische Distanzen etwas.

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