Review

Grup Doğuş

Grup Doğuş

Ironhand • 2019

»Es wurden Arbeiter gerufen / doch es kamen Menschen an«, hieß es in Anlehnung an Max Frisch auf Cem Karacas Album »Die Kanaken« und bis heute scheint das die biodeutsche Mehrheitsgesellschaft über sechs Jahrzehnte nach dem deutsch-türkischen Gastarbeiterabkommen nicht begriffen zu haben. Auch die Geschichte der Grup Doğuş legt davon ein weiteres musikalisches Zeugnis ab. Tufan und Muhittin Aydoğan kamen als Gastarbeiter nach Deutschland, schnappten sich in ihrer Freizeit aber Hammond-Orgel und Bass-Gitarre, besorgten sich einen Drummer (Koray Dikmen) sowie einen Gitarristen (Sedat Ürküt), nahmen im Jahr 1975 eine Kassette auf und gerieten quasi wieder in Vergessenheit, bevor irgendwer von ihnen Notiz genommen hätte. Mit »Grup Doğuş« präsentiert das Label Ironhand Records nun eine Zusammenstellung der darauf enthaltenen Stücke. Sie beweisen, wie viel der westdeutschen Rockszene darüber verloren ging. Klassiker des anatolischen Pops werden zu Templates für schwitzige Jams mit nudeligen Gitarrensoli und psychedelischen Hammond-Exkursen. Die direkt von einer Bühne weggesignte Band verliert sich auf diesen roughen Aufnahmen im wabernden Wah-Wah-Funk ihres eigenen Drives, als wäre ihnen sowieso alles egal. Aus jedem Ton quillt Schweiß, Proberaummief und die Lust auf mehr als nur die üblichen Phrasen. Analog zur Neuinterpretation anatolischen Rocks durch Gruppen wie Altın Gün oder Künstlerinnen wie Derya Yıldırım und Gaye Su Akyol ist das Timing günstig, Grup Doğuş ebenso wie die Musik anderer Gastarbeiter*innen neu zu entdecken.