Review

Henryk Debich

Zblizenie

Astigmatic • 2021

Die Relevanz von Henryk Debich für den polnischen Jazz ist rückblickend schwer einzuschätzen. Dem Gründer des Łódź Orchestra gelangen über Jahrzehnte nicht nur hochgradig abwechslungsreiche Kompositionen als Dirigent des vielleicht wichtigsten Orchesters Polens, sondern auch dessen konsequente Weiterentwicklung in einer seit den späten 1970er jAHREN heiß umkämpften Sparte: Jazz-Funk. Der begehrte Klassiker »String Beat« von 1975 war in dieser Hinsicht zwar schon ein Denkmal für das gesamte Projekt, doch fanden während der nächsten Jahre viele weitere Großtaten Debichs ihren Weg ins Repertoire seiner 40 bis 70 Köpfe starken Musikertruppe. »Zbliżenie« deckt die Jahre 1974-1977 ab und gibt damit einen idealen Ersteindruck dessen, was hier in sehr kurzer Zeit von kompositorischer wie spielerischer Seite geleistet wurde. Junge Wilde wie Andrzej Żylis, Jacek Delong, Jacek Malinowski, Mirosław Racewicz und Zbigniew Karwacki schlagen mit enormer rhythmischer Dynamik zu, die Kompositionen tragen Soundtrackcharakter, könnten in einer schnittigen Italo-Agentenkomödie aus den Siebzigern laufen, sind aber ebenso tanzbar. Dabei bleibt Debichs kompositorischer Stil durchweg bemerkenswert wandelbar, in Harmonien und Instrumentierung gleichermaßen, und doch innerhalb der Stücke sehr geradlinig. Der Titel dieser Archiv-Kompilation ist daher kein Zufall, bedeutet »Zbliżenie« doch so vieles im Polnischen: Annäherung, Nahaufnahme, Zärtlichkeit oder geradeheraus Sex. Jaja, das steckt alles nicht nur in den Worten sondern auch in der Musik. Für Einsteiger in Henryk Debichs Schaffen ebenso geeignet wie für alte Hasen.