Tomasz Stańko war der europäische Miles Davis. Ein Pole, der mit einem Atemzug mehr sagen konnte als andere Jazz-Trompeter in ihrem ganzen Leben. Der große Krzysztof Komeda hatte ihn Anfang der 1960er-jahre entdeckt. Seither erschienen dutzende Alben. Als Tomasz Stańko mit 80 Jahren starb, hinterließ er kilometerlange Masterbänder – verteilt auf mehrere Kontinente, versteckt in den Archiven von Radiostationen und Privatstudios, verwaltet von seiner eigenen Stiftung. Die Londoner von Astigmatic Records, benannt nach einem der erfolgreichsten Platten, auf denen Stańko für Komeda trompetisierte, haben ihr Glück bei Radio Bremen versucht. »Wooden Music I« soll Anfang der Siebziger entstanden sein. Tomasz Stańko tourte damals mit seiner Kammermusikkapelle durch Westeuropa, lebte mit deutschen Hippiekommunen und improvisierte sich jeden Abend durch Jazzkellereien. Am 28. Mai 1972 kurvte das Quintett nach Iserlohn, um eine Jazzmessage aus Polen zu verschicken. »Das Einzige, was uns auf dieser musikalischen Reise geleitet hat, war das geistige Verständnis, die Freundschaft und der Respekt«, sagt der Bassist der Truppe. Totale Improvisation sei das gewesen – »no plan, just play«. Deshalb fiedelt und zupft und glöckelt es, als hätte sich der Jazzjahrgang auf kammermusikalischer Klausur ins Alpenvorland verirrt. Die Ergebnisse kommen mit 50 Jahren Verzögerung auf den Teller. Wir atmen durch.
Wooden Music I