Review

Gerard

Blausicht

Heart Working Class • 2013

»Gute Alben sind immer wie Filme«, äußerte der ehrenwerte Pusha T vor einigen Jahren in einem Interview. Wenn dem so ist, dann wäre »Blausicht« vermutlich eine Mixtur aus »Berlin Calling« und »Into The Wild«. Doch so unvereinbar wie sich diese Vergleiche lesen, so dramatisch gestaltet sich Gerards Neustart ohne »MC«-Anhang. Es geht um nicht weniger als den Sinn des Lebens. Jener Sinn, der zwischen Uni-Abschluss und Berufseinstieg konsequent auf sich warten lässt. Jener Sinn, den man nach einer durchzechten Partynacht auf dem Heimweg zwischen dem letzten Kleingeld und den ersten Sonnenstrahlen zu finden versucht. Gerards (eigentlich vierte) LP ist der definitive Soundtrack der »Generation Maybe«, die vor lauter Entscheidungsmöglichkeiten sich des Entscheidens verweigert. »Heute kann man alles x-Mal verwerfen/ Früher war der Film nach ein paar Versuchen ausgeknipst« – banale Alltagssituationen weiten sich durch einfache Ich-Erzählungen quasi von allein zu Identifikationsflächen aus. Dass der Wiener in der mittlerweile legendären »Krabbe« aufnahm und ebenfalls fragmentarisches Songwriting bevorzugt, legt den Casper-Vergleich zwar nahe, doch ist »Blausicht« eine komplett andere Baustelle. So haben NVIE Motho oder eben DJ Stickle auf Blockbustern wie »Zünd Den Regen An«,»Gold« oder auch »Lissabon« die Ästhetik britischer Underground-Raves mit kernschmutziger Rap-Attitüde und bombastischen Instrumental-Gestalten zu dem bisher schlüssigsten Cloud-Rap-Entwurf Europas kombiniert. Mehr 2013 geht nicht. Während der Promophase verriet Gerard, dass er gerne Filme drehen wolle. »Blausicht« ist allerdings – und diese Floskel muss hier erlaubt sein – längst Fußballstadion-großes Kino.

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Blausicht
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