Review

LoneLady

Hinterland

Warp Records • 2015

Der Science Fctioni-Autor William Gibson schrieb 1981 folgende Sätze: »Stadt heißt Erwartung, mehr noch: Sehnsucht. Auch die Sehnsucht nach dem Hinterland, dem unbekannten Ort, dem Ort des Geheimnisses, […] an dem noch keiner war.« Genau solch einen Ort ergründet LoneLady auf ihrem zweiten Album, »Hinterland«. Ausgangspunkt hierfür ist nicht nur in geographischer Hinsicht ihre Heimatstadt Manchester. Dieses oft besungene Epizentrum post-industrieller Dystopie-Romantik, wo vor allem der Post-Punk sich wie Ruß auf die abgewetzten Backsteingebäude gelegt hat. Auch musikalisch setzt LoneLady dort an: Blick zu den Ahnen, ja, aber nur mit eindeutiger Bewegung nach vorn. Ihr Debüt »Nerve Up« aus dem Jahr 2010 war bester Beweis dafür, wie es gehen kann; zersetzte die Trostlosigkeit von The Fall oder Joy Division mit einem Funk in Monochrom. Und wie erwartet leitet auch diesmal eine vertraut klingende Uptempo-Nummer die Platte ein, was zunächst nahe legt, dass sich bei LoneLady nicht viel getan hat. Doch der Bruch folgt auf dem Fuße. »Flee« ist eine radikal reduzierte, sanft schleichende Elegie, die das Hinterland als Ort des Umbruchs markiert: »The ground is crumbling / the sky is falling«. Dementsprechend klingt auch der Rest des Albums, zwischen A Certain Ratio-Basslines und Achtziger Dance-Pop lungernd, als hätte am Rande des Abgrunds ein Cutting-edge Club eröffnet. Noch vielschichtiger, noch neugieriger präsentiert sich der Zweitling. LoneLady’s Sensibilität für die Tradition, in der sie steht, und ihr außergewöhnliches Songwriting/Producer-Talent erlauben ein organisches Ineinandergreifen all ihrer Referenzen. Und beweisen fernab der Retro-Verklärung, dass die Geschichte des Post-Punk noch lange nicht abgeschlossen ist. Wir mussten nur auf eine Visionärin warten.