Azabeats – Die Melodie in allem finden

12.06.2014
Foto:Christian Neubert / © hhv.de mag
Er ist 28 Jahre alt und ein eigenwilliger Beatbastler. Mit Freunden schmeißt er das Plattenlabel Postrap, auf dem u.a. Releases von Audio88, Misanthrop oder Son Kas zu finden sind. Wir besuchten den Würzburger in seinem Wohnzimmerstudio.

»Ursprünglich wollte ich DJ werden«, sagt Azabeats. Um die Jahrtausendwende stand der damals 15-Jährige Würzburger damit nicht allein da. Schnell sah er jedoch ein, dass das Handwerkliche des DJings nicht sein Ding war. Also musste es das Producing sein. Im Alleingang schaffte er sich das nötige Wissen ran, die ersten Beatgerüste waren bald im Kasten. Damit ging es gleich auf einen regionalen Hip Hop-Sampler, ein Praktikum in einem Tonstudio folgte. Dabei hatte Azabeats auf das Hip Hop-Ding, bei dem man damals immer die gleichen Menschen in immer den gleichen Szeneläden traf, gar keinen Bock. Als ihn jedoch ein Freund 2005 auf ein Konzert von Musikern des Anticon-Kollektivs mitschleifte, wusste er, wohin seine musikalische Reise gehen sollte.

Häng das Mikro aus dem Fenster
Wobei: So ganz stimmt das nicht, lenkt er ein: »Ich komme wohl nie bei einem endgültigen Sound an, über den ich mich definiere. Was ich mache, ist immer im Wandel, unterliegt ständig neuen Einflüssen.« Ein Einfluss kann dabei ein Musiker sein, den er für sich entdeckt. Das ist wichtig für ihn: »Damit Musik mich richtig begeistern kann, muss ich selbst auf sie stoßen.« Der letzte Künstler, der ihn vom Hocker hauen konnte, war Flying Lotus. Wenn es für ihn feste Bezugspunkte gibt, dann der abstrahierte Hip Hop-Entwurf der frühen Anticon-Tage, Postrock und die elektronischen Low End Theory-Experimente. Inspirationen findet er aber auch fernab von Musik. »Ich versuche, die Melodie in allem zu finden«, beschreibt er seinen Ansatz, »auch dann, wenn ich mein Mic für Field Recordings einfach nur aus dem Fenster hänge.« Manchmal, erklärt Azabeats weiter, zieht er in den frühen Morgenstunden los, um mit dem Mikrofon den Klang und den Rhythmus der Stadt einzufangen. Die Hydraulik von Hebebühnen zum Beispiel, oder das Klackern von Stöckelschuhen auf Asphalt.

Ich versuche, die Melodien in allem zu finden, auch dann, wenn ich mein Mic für Field Recordings einfach nur aus dem Fenster hänge.«

Azabeats
Sich selbst überraschen
Im Endeffekt, so der von den Ämtern Anderas Kalamala genannte, der nach abgeschlossenem Designstudium inzwischen bei einem Verlag arbeitet, versuche er sich selbst zu überraschen. Er möchte Musik schaffen, die er noch nicht kennt. Daher wird heute das Wohn-/Schlafzimmer seiner kleinen Bude in der Würzburger Innenstadt von dem Equipment beherrscht, das er sich nach und nach angeschafft hat. Es besteht aus einer durch seine Live-Auftritte inzwischen stark malträtierten MPC und einer MPD, in die er seine Beats hämmert, zwei Synthies, Effektgeräten, Spielzeugkeyboards und »diversen Früherziehungsinstrumenten«, um seinen Sound zu kreieren. Dieser bewegt sich weg vom simplen Loop: Der abgeschlossenen, repetitiven Rapästhetik will er offenere Strukturen entgegenbringen – und vor allem nicht an einem festen Schema haften bleiben.

Lebensinhalt: Musik
Gemeinsam mit befreundeten Musikern, die er bei Auftritten seiner Rap-Band Son Kas kennenlernte, brachte er 2010 mit Postrap seinen eigenen Musikverlag an den Start. Damit hat er sich nicht nur den Traum des eigenen Labels erfüllt: »Ich finde es geil, heute mit genau den Leuten gemeinsame Sache zu machen, auf die ich früher voll abgefahren bin. Dass wir demnächst das neue Xndl-Release veröffentlichen, ist der absolute Wahnsinn!« Auf Postrap sind inzwischen 18 physische Tonträger und neun digitale Veröffentlichungen von Künstlern wie Audio88, Misanthrop oder Son Kas erschienen. Jährliche Labeltouren konnten sie in dieser Zeit auch realisieren. Bei all dem ist eines klar: »Im Grunde mache ich überhaupt nichts anderes mehr.« Azabeats verbringt seine Freizeit quasi komplett mit Musik. Und wenn er seine Geräte mal ausschaltet, kümmert er sich um die Labelarbeit. »Vertriebswege klären, die Homepage pflegen, Bestellungen bearbeiten, all das eben.«

Sängerinnen und Sänger gesucht
Die Frage, ob er auch Produktions-Anfragen von MCs außerhalb des Postrap-Umfelds erhält, beantwortet er mit ja. Gerade hat er sich einen Rapper herausgepickt, den er mit Beats versorgen möchte – auch, wenn er solche Anfragen aus Zeitgründen meist übergeht. Ändern würde sich das bestimmt, wenn mal eine Sängerin oder ein Sänger anklopft. »Darauf hätte ich voll Bock. Bisher war aber leider keiner dabei.«