Label Watch: Cómeme Records

24.05.2012
Foto:Patrick Cavaleiro
Bei Cómeme geht es um Freundschaft und den transatlantischen Austausch von Musik. Das Label des in Chile geborenen und in Köln aufgewachsenen Musikers Matias Aguayo verkehrt musikalisch genau zwischen zwei Welten.

»Das Label ist ein Ergebnis aus Notwendigkeiten. Ich hatte nie vor ein Label zu gründen, denn ich bin überhaupt kein administrativer Typ. Aber irgendwann hatten wir einfach keine andere Wahl, da wir diese ganze Musik hatten«, erklärt Matias Aguayo, wie sein Label Cómeme entstanden ist. Dieses gründete der in Chile geborene und in Köln aufgewachsene Musiker vor vier Jahren mit Kumpel Gary Pimiento. Die südamerikanisch-deutsche Clique, die durch Aguayos Pendeln zwischen den Kontinenten entstanden ist, hatte so viel Musik produziert, dass der Schritt zur Label-Gründung unausweichlich wurde. Zu dieser Clique gehören zwar u.a. der Mexikaner Rebolledo, der Russe Philipp Gorbachev, Ana Helder aus Argentinien oder Christian S aus Köln, nichtsdestotrotz überstrahlt Aguayo wie ein Sonnengott die Aktivitäten des Labels. Er ist die zentrale Figur, die aber auf die Clique besteht: »Cómeme ist ein sehr internationales Label, das von Freundschaften und Verbindungen lebt, die zwischen Südamerika und Europa entstanden sind.« Die Grundlage hierfür lieferte das Internet, das Kontakte geknüpft hielt und später für den regen Austausch von fremder und eigener Musik herhalten musste. Das Teilen wurde nicht nur praktiziert, sondern reifte zum Grundgedanken hinter dem Label. Diesen gäbe es durchaus, wie Aguayo betont, sei aber nur schwer in Worte zu fassen: »Es hat viel mit dem Teilen von Musik zu tun, dem ›Share‹-Aspekt und der Idee von ›sharing music‹.«

Musikalisch steht der Tanz im Vordergrund: eine krude Mischung aus elektronischer Musik gepaart mit den Einflüssen der meist südamerikanischen Roots der Künstler, die einen Großteil der Releases auf Cómeme ausmachen. Kein Wunder also, dass als Ursprung des Labels die Straßenpartys in Mexiko und Chile genannt werden, in der die Tanzbarkeit und die sexuell aufgeladene Stimmung eine große Rolle spielen. Die dank eines Vocal-Beitrags von Aguayo zufällig zu einem verschmolzenen Worte »come« und »me« heißen schließlich nichts anderes als »Iss mich«. Cunnilingus also.

»Cómeme ist ein sehr internationales Label, das von Freundschaften und Verbindungen lebt, die zwischen Südamerika und Europa entstanden sind.«

Cómeme Records
Trotz aller musikalischer Ausuferung mit sexueller Konnotation wird auch effizient gearbeitet. Cómeme lebt von der Zusammenarbeit der unter Vertrag stehenden Künstler: Einer hat eine Idee, ein anderer verwirklicht sie und ein dritter mischt das Material ab und wieder jemand anderes kümmert sich um das Mastering. Ein Familienbetrieb also, nur eben mit Wahlverwandtschaften. Die eigentlich im Punk zu verortende DIY-Mentalität geht sogar so weit, dass man z.B. darauf verzichtet, sich stundenlang Demos anzuhören, bis das Richtige dabei ist – man begibt sich lieber selbst auf die Suche nach neuer Musik. Ob man so zu einem »Cómeme-Sound« kommt, wie er dem Label angedichtet wird, bezweifelt Aguayo. Wo aber eine Gemeinsamkeit bestünde, sei im Gefühl: »Ein Gefühl für die Tanzfläche, ein Gefühl für Musik die vor allen Dingen geteilt wird, also auch mit dem Bewusstsein, dass die Musik für ein Publikum ist, und nicht so sehr diese klassische Idee vom Autoren, der da introspektiv seine Fantasien auslebt oder Probleme vermittelt, sondern etwas was aus einer Gemeinsamkeit entsteht.« Jeder packt an, wo er oder sie kann und hilft, damit das Volk feiert.
Auf diese Weise begegnet Cómeme auch der Krise der Musikindustrie mit Erfolg, das nach Aguayos Meinung ohne diese gar nicht erst entstanden wäre und so fast einen politischen Hintergrund bekommt: »Diese Krise hat das Label erst möglich gemacht, weil gerade die Künstler aus Südamerika ja nur an sehr viel Musik kommen konnten, weil man sie frei bekommen kann. Weil jede importierte Platte auf Vinyl natürlich unerschwinglich ist, ein Viertel eines Monatsgehalts bedeuten kann. Natürlich ist Cómeme überhaupt nicht lukrativ! Höchstens die Künstler verdienen dadurch, dass sie Gigs bekommen. Aber da dieser finanzielle Aspekt nicht im Vordergrund stand und wir als allererstes unsere Tracks miteinander geteilt haben, damit wir einfach Musik spielen können, die sonst niemand spielt, war das der eigentliche Ausgangspunkt. Und deswegen: ›Schwierige Zeiten für die Musikindustrie?‹ Ja, kann sein, aber nicht unbedingt schwierige Zeiten für Musik.«