Dexter – Im Dienst des Samples

24.05.2013
Foto:Deniz Alaca
In unserer Reihe »Word On The Beat« besuchen wir Producer und Musiker in ihren heiligsten Räumen. Denn wo sonst als im Studio kann man hinter die Tracks und ihre Macher blicken. Den Anfang macht Dexter, das Wunderkind aus Heilbronn.
Dexter ist Beatmaker. Sein Instrument ist das Sampling und das musikalische Gedächtnis der Schallplatten seine Noten. Vieles ist gesagt worden zu Melting Pot Music’s Wunderkind aus Heilbronn, der den Spagat zwischen Beats für Casper bis Retrogott und seinen »The Jazz Files« von vor zwei Jahren mit großer Gelassenheit meistert. Inspiriert vom kalifornischen Beat-Verständnis von Producern wie Madlib, Flying Lotus oder Oh No, hat Dexter sich im Schwabenland ein Heimstudio installiert. In der Tradition des Bedroom Producer manifestiert sich hier in Hardware das Prinzip Beatmaking: Ein Rechner, auf dem Logic läuft, eine MPD, ein Interface, ein Mini Moog, Microphone-Booth und Vorverstärker für den Fall von Gesangs- und Sprachaufnahmen und ansonsten Platten, Platten, Platten. Es ist kein akustischer Raum, es ist ein Kontrollraum, in dem Singale unabhängig von den sonst eine Musikproduktion begrenzenden Faktoren bearbeitet werden können. »Die eigentliche Arbeit ist das Sample zu finden« Denn, was Dexter macht, ist vor allem Recherche. So hat er in der Jazz- und Bluessammlung seines Vaters die Inspiration und das Material für seine Hi-Hat Club Veröffentlichung »The Jazz Files« gefunden und das selbe Prinzip der Vertiefung in einen Sound und eine Ära hat er auch für seine neue Platte, »The Trip«, die sich ausschließlich aus Psych-Rock speist, angewendet. Dabei geht es immer um den Versuch einer Konzentration, einer Essenz und dafür geht er oft die Musikgeschichte einmal rückwärts zurück, so wie die »The Jazz Files« ihn schlussendlich an die Ursprünge des Hip Hop zurückgeführt haben.

»Natürlich gibt es Unmengen an ungesampelten Stuff und unbekanntem Zeug, man muss nur graben und graben und sehr viel weiter gehen, als bis zur nächsten Isaac-Hayes-Platte.«

Dexter
Was Dexter von anderen Beatmakern unterscheidet ist seine Hingabe an das Original-Material, auch sein Vertrauen in dieses. »Für mich ist das perfekte Sample, wenn ich nur aus diesem einen Sample mein ganzes Lied machen kann.« Es ist diese Überzeugung, die Dexters Handschrift ausmacht. Wo ansonsten Libraries aufgerufen und mit Sorgfalt Harmonien arrangiert werden, geht es Dexter darum einen Vibe zu erhalten: »Den originalen Vibe bestmöglich zu erhalten, ist das Ziel, auch wenn der Beat dann natürlich ganz anders klingt. Ich stehe da vollkommen im Dienst des Samples.« Die Transformation, der Einsatz des Moogs, die üblichen 808 Sounds, all das versteht er nur als Add-Ons, die nur ins Spiel kommen, wenn sie wirklich gebraucht werden. Und das passiert viel seltener, als bei anderen Strategien des Beatmakings. »Vor Jahren habe ich mal in einem Interview mit den Beginnern gelesen: Es gibt jetzt keine Samples mehr und deswegen spielen wir jetzt alles ein. Da dachte ich: Fuck, wie es gibt keine Samples mehr? Natürlich gibt es Unmengen an ungesampelten Stuff und unbekanntem Zeug, man muss nur graben und graben und sehr viel weiter gehen, als bis zur nächsten Isaac-Hayes-Platte.« Dexter gräbt sich tief rein in einen Sound, arbeitet konzeptuell in einem Genre und doch kommt am Ende immer wieder etwas heraus, das man im kalifornischen Sinne als Hip Hop bezeichnen würde und kann. »Wenn ich eine Psych-Rock Band gründen könnte, würde ich vielleicht auch das machen. Aber ich kann das nicht. Bei mir wird alles automatisch zu Hip Hop, es ist einfach in mir drin.« Dexter’s Bearbeitungen sind Transformationen, die immer den Modus des Hip Hop suchen und dabei den Begriff zuerst vom Sound her verstehen: »Was die Leute dann erzählen hat mich nie so interessiert. So was wie Curse konnte ich mir nie geben.« Es geht um ein Gefühl, das man nicht in Worte fassen kann, es geht darum Vibes zu konzentrieren, auch darum sie zu konservieren. Und in dieser Essenz geht die Idee des Originals nicht verloren, auch wenn sie ihre Vorzeichen geändert hat. Das ist vielleicht sein größter Verdienst um die musikalische Vielfalt an der er sich bedient und der er dient.