Echt! tragen Liebe für Jazz, Trap und IDM in sich

29.05.2023
Foto:© Mayli Sterkendries (Sdban Records)
Echt! sind vier Jazzer aus Brüssel, die schon Stücke von Aphex Twin oder J Dilla gecovert haben. Kürzlich ist ihr zweites Album erschienen – und dem hört man diese Ursprünge immer noch an. Jazz für slow creepende Honda Civics.

Dorian und Federico halten zwei Tassen hoch und prosten sich vor ihrer Laptopkamera zu. »Kaffee«, grinst Dorian in französischem Akzent und Federico sagt. »Wir brauchen noch viel mehr davon, morgen fahren wir für fünf Tage auf Tour nach England.« Es scheint, sie übersähen in diesem Moment ein naheliegendes Aufputschmittel: Ihre eigene Musik.

Als Echt! haben sie gerade ihr zweites Album, »Sink-Along«, auf Sdban Ultra, einem Brüsseler Label für Electronica und Jazz veröffentlicht. Das passt zum Konzept von Echt!. Sie spielen elektronische Musik mit einem Jazz-Ansatz: Im Sound vereint sich der Beatgetriebene Jazz von z.B. BadBadNotGood, die wabernde IDM von Flying Lotus zu »Cosmogramma«-Zeiten und Auf-die-Nase-Instrumental-Trap im Andenken an Hudson Mohawkes TNGHT-Phase.

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Das Besondere: Auf der Bühne halten Echt! echte Instrumente. Wer elektronische Bandprojekte wie Elektro Guzzi oder Radian kennt, hat eine Ahnung davon, wie das aussieht und klingt. Der Sound von Echt! funktioniert aber nicht nur im Club oder auf der CTM, sondern auch bei Jazzfestivals auf der ganzen Welt.

Federico habe es mal philosophisch ausgedrückt, sagt Dorian. Elektronische Musik bediene sich an Samples aus der Live-Musik. Als Band höre man sie, versuche sie auf einzelne Instrumente umzudenken und erneut zu spielen. »So entsteht eine Art Loop.« Federico kratzt sich am Kinn. »Wir werden aber nie in der Lage sein, dieselben Klänge zu erzeugen, die wir hören«, sagt er. »Dadurch, dass wir mit unseren Mitteln nach Lösungen suchen, wird der Klang so eigen.«

Die luziden Träumen vierer Trap-Jazzer

Vor einigen Jahren, als die Vier noch in Brüsseler Bars auftraten, habe man vor allem Covers gespielt. »Wir haben die Musik von J Dilla, Aphex Twin oder Dorian Concept für unsere Instrumente umgeschrieben«, sagt Federico. »Es hat Spaß gemacht, herauszufinden, wie man diese elektronischen Sounds nachspielen kann.« Schließlich gehe es in dieser Musik weniger um die Noten, sondern um die Suche nach Klängen.

Diese Suche beginnt Mitte der 2010er Jahre. Damals studieren sowohl Dorian und Federico als auch Martin und Florent am Konservatorium in Brüssel. Man kennt sich von gemeinsamen Kursen, zusammen finden sie allerdings erst über Jam-Sessions außerhalb der Schule. Man höre sich spielen und realisiere schnell, wofür der andere brennt, sagt Dorian, der ursprünglich aus der Klassik kommt. »Die geteilte Liebe zur elektronischen Musik hat uns dazu gebracht, diese Band zu gründen.«

Wir haben die Musik von J Dilla, Aphex Twin oder Dorian Concept für unsere Instrumente umgeschrieben«

Jeder einzelne bringe unterschiedliche Qualitäten mit, sagen beide fast zeitgleich. Während sich Federico als »praktischen Typen am Bass« bezeichnet, sieht er in Dorian den »luziden Träumer« der Gruppe. Florent, der Gitarrist, lauge alle manchmal aus, weil er genau weiß, wo es langgeht. Und Martin hält Echt! nicht nur hinter den Trommeln zusammen. »Da wir keinen Bandleader haben, kann es manchmal trotzdem schwierig sein«, sagt Dorian. »Aber selbst wenn wir uns in bestimmten Punkten nicht einig sind, teilen wir doch die gleiche Vision.«

Wucht ist keine Frage des Genres

Wer sich Aufnahmen von Live-Auftritten ansieht, bekommt einen Einblick in das »Universum von Echt!«, wie Federico es ausdrückt. Die Band bildet einen Kreis, rückt nah zusammen und spielt nicht ausschließlich zum Publikum. Ein Rat, den man in einem Band-Coaching bekommen habe, sagt Dorian. »Wir wollen damit ausdrücken, dass wir nicht nur eine Kombination von Solomusikern, sondern eine Einheit sind.«

Auch deshalb könne man nicht immer zuordnen, woher die Klänge kommen, die sich zum Sound von Echt! zusammensetzen. »Aber genau das ist die Stärke des Projekts«, meint Federico. »Dass man es nicht definieren kann.« Ob sich das Publikum aus Jazz-Kenner:innen oder Clubgänger:innen zusammensetzt – immer wolle man als Echt! ein »Erlebnis« vermitteln. Wenn man »Sink-Along« so durchhört, wird schnell klar: Dieser Sound kann nur ein Erlebnis sein.

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Jazz aus Belgien

Unter dem Themenschwerpunkt »Jazz aus Belgien« fassen wir Beiträge zur aus Belgien stammenden Jazz-Musik zusammen.

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