Label Watch: Alien Transistor

11.08.2022
The Notwist gehören zu den bekanntesten und spannendsten deutschen Indie-Bands. Die beiden Brüder Markus und Micha Acher spielen aber nicht nur in eben jener Band, sondern gründeten vor knapp zwanzig Jahren das Label Alien Transistor. Ein Universum aus ungewöhnlicher und besonderer Musik breitet sich mit den Veröffentlichungen von dort aus – und hat längst die eigenen Grenzen überschritten.

Die Geschichte des Labels Alien Transistor ist der Traum jedes Musikliebhabers. Einfach Platten machen, die einem selbst gefallen! So gingen es Markus und Micha Acher vor knapp zwanzig Jahren an. Und genau, es sind jene beiden Brüder, die mit The Notwist das bayerische Weilheim auf die internationale Karte des erwachsenen Indie-Pop um die Jahrtausendwende brachten.

Was nicht die schlechteste Voraussetzung für das eigene Label war: »Es hat sich angeboten, weil ein Freund von uns, der Saam, hatte Solo-Aufnahmen, die wir genial fanden«, sagt Markus Acher. Der in der Türkei geborene Saam Schlamminger spielte damals für die Sessions des Albums »Neon Golden« von The Notwist mit und war ein wichtiger Bestandteil der Aufnahmen. »Das war für uns der Anlass, unseren Plan konkret umzusetzen und mit seinen Sachen anzufangen.« Herauskam das selbstbetitelte Album von Saam unter dem Namen Chronomad. »Und so ging es dann weiter mit Sachen, die aus unserem direkten Umfeld kamen – oder von uns selbst«, so Acher.

Über den Tellerrand schauen

Am Anfang war alles offen, obwohl The Notwist mit eben »Neon Golden« eines der vielleicht wichtigsten Alben aus Deutschland veröffentlichten. »Das hat vielleicht ein wenig auf die Veröffentlichungen bei Alien Transistor abgestrahlt«, sagt der 55-Jährige. Aber im Endeffekt ging es laut Acher noch um etwas anderes: »The Notwist ist ja letztlich nur ein Teil von einem großen Universum aus allen möglichen Leuten. Und da holen wir uns das her und so ist das Label auch gedacht.«

»The Notwist ist ja letztlich nur ein Teil von einem großen Universum aus allen möglichen Leuten. Und da holen wir uns das her und so ist das Label auch gedacht.«

Markus Acher

Eine ganze Weile richtet sich Alien Transistor auf das direkte Umfeld aus, auf eigene Sachen oder auf das Material von Freunden. Es erscheint zum Beispiel das gemeinsame Projekt 13& God mit Künstlern des US-Labels Anticon.  »Aber irgendwann war das für mich persönlich nicht mehr so interessant«, sagt Acher. Das Label orientiert sich stärker nach außen, wird internationaler. Kontakte außerhalb des eigenen Umfelds sprechen sie konkret an, ob sie nicht auf Alien Transistor was veröffentlichen mögen. »Da hat alles nochmal Fahrt aufgenommen und wurde interessant.«

So bringt die Arbeit am Label Inspiration, Freundschaften und Kontakte – was während der Corona-Monate zumindest Reisen im Kopf möglich machte. »Das war sehr toll und das möchte ich nicht missen.« Überhaupt hat sich das Label in der letzten Zeit gut entwickelt mit all den Veröffentlichungen, die gerade erschienen oder noch erscheinen.

Eins kam zum anderen

Die Schallplatte war bei Alien Transistor zwar stets »irgendwie schon« Hauptmedium, ist es durch die letzte Zeit aber noch mehr geworden. Die letzten Veröffentlichungen gibt es entsprechend nicht mehr auf CD, sondern nur noch als LP oder Download.

Alien Transistor entstand in den Zeiten von Napster und anderen Filesharing-Plattformen, was nicht die besten Jahre für Labels waren. Und heute? Hören die Menschen den Großteil ihrer Musik über Streaming-Anbieter. Nicht einfach für die Musikwirtschaft. Allerdings beschäftigten sich die Macher von Alien Transistor laut Acher nie so intensiv damit. »Für uns hat sich im Grunde nicht viel verändert.« Das Label ist mehr Hobby. »Wir machen das, weil wir Lust dazu haben. Aber wir konzipieren es so, dass es sich trägt.«

Nur wie kommen Künstler konkret zu Alien Transistor? Die Wege scheinen unkompliziert. »Bei denen, mit denen ich vorher nicht direkt Kontakt hatte, hat sich das so ergeben«, sagt Acher. »Bei Jam Money habe ich die Platte bestellt und mit dem Mat Fowler angefangen zu kommunizieren, weil der unsere Sachen kannte. Irgendwann habe ich gefragt, ob sie bei uns was veröffentlichen wollen.« Bei der japanischen Band Tenniscoats kam der Kontakt über ein befreundetes Label aus dem Land zustande. Die Gelegenheit für eine Lizenzierung war da und so kam es ins Rollen. Die Formel hört sich bei Acher meist so an: Eins kam zum anderen. Manchmal können Geschichten ebenso einfach sein.