»Music is life«, steht im Status seines WhatsApp-Profils. Samy Ben Redjeb, der für alle nur der Samy ist und seit über 20 Jahren das Label Analog Africa macht, lebt Musik. Wenn es jemanden gibt, bei dem dieser Spruch ganz sicher keine hohle Phrase ist, dann ist es Samy. »Yooo, was geht ab, wie geht es diiiir?«-Samy.
Gerade sitzt Samy in Mexiko City. Davor sei er in Kolumbien gewesen, in Brasilien und immer so weiter. »Um Abwechslung reinzubringen«, sagt Samy und meint, dass er den Winter immer in Südamerika verbringt, dann in seiner Zweitwohnsitz-Heimat Frankfurt vorbeischaut und den Rest des Jahres durch Afrika reist. Um jene Musiker aufzustöbern, deren aus den 1960ern bis 1980ern Jahren stammenden Platten er auf seinem Label Analog Africa veröffentlichen will.
So geht das für Samy seit 2004. Damals macht er die erste Platte, ohne zu wissen, wie das eigentlich geht. Lizenzen suchen. Musiker aufstöbern. Songs mastern. Samy findet zu diesem Zeitpunkt einfach nur die Musik gut. Und reist ihr hinterher. Rumfragend. Glückhabend. Irgendwann stößt er so auf »The Green Arrows«, Superstars aus Zimbabwe in den 1970ern. Eine Band, die bis zu diesem Zeitpunkt kein einziger Weißbroteuropäer gehört hat, begründet die Expedition Analog Africa.
Jede Platte eine Freundschaft
Es ist eine, die Samy über den Kontinent führt. Togo, Benin, Kongo, Angola, Ghana, Senegal, Burkina Faso. Die Liste der Länder, in denen er sich über die Jahre in Lagerhallen und Garagen und Hinterhöfen herumgetrieben hat, um dort alte Platten auszugraben, ist noch länger. Meistens sind aus diesen Trips Compilations entstanden – aufwändig zusammengestellt, mit Fotos und den Geschichten der Musiker, die nicht selten das letzte Mal vor einem halben Jahrhundert in ein Mikrofon musiziert haben.
»Wir leben in einer Welt, in der man immer alles dazu sagen muss.«
Samy Ben Redjeb
»Jede Platte ist eine Freundschaft«, sagt Samy, »ich will ja nicht nur die Musik rausbringen, sondern die ganze Story«. Deshalb kann man bei seinen Platten auch immer viel anschauen. Und noch mehr lesen. Denn Samy mag zwar Musik veröffentlichen, aber eigentlich ist er so was wie ein Zeithistoriker, der mit quasivergessenen Musikmenschen über ihre Vergangenheit spricht. Natürlich, weil er ihre Platten mag. Aber vor allem, weil ihn die Geschichte dahinter interessiert.
Das würden manche verstehen. Andere mögen darin kulturelle Aneignung oder den Untergang von allem erkennen. Samy hat dafür kein Verständnis. Auch weil das mit der »kulturellen wie heißt das nochmal?« immer von Seiten derer komme, die nichts mit der Musik zu tun haben. »Die Musiker vor Ort sagen mir aber immer, dass es damals ihr Traum gewesen war, ihre Musik da und dort und auf der ganzen Welt zu hören.«
Die Sache mit dem Geld
Analog Africa macht genau das. Alte Musik neu herzeigen. Das Label ist damit auch eine Chance für zweite Karrierewege auf größeren Bühnen. Zumindest aber für eine späte Vergütung. Mittlerweile, sagt Samy, müsse er das dazu sagen, weil »wir in einer Welt leben, in der man alles immer dazu sagen muss«. Aber das mit der Bezahlung laufe immer fair. Grundlage für den Paycheck ist: Wie viele Platten lassen sich verkaufen? So wandern schon mal 14.000 Euro in eine Musikertasche, die ohne Labelarbeit nie geöffnet worden wären.
»Ich hab immer gedacht, die Leute würden das schon sehen. Also, die Arbeit, die hinter den Platten steckt, die zeigt ja auch, dass ich niemanden ausbeute oder über den Tisch ziehe«, so Samy. »Ich mein, du gehst ja auch nicht in den Supermarkt und kaufst ein und an der Kasse brüllst du dann rum, ey, ich hab Bananen und ein Jogurt gekauft. Aber gut, wenn das die Leute wollen, dann sollen sie es halt hören.«
Samy sagt es zwar nicht, aber merken kann man es schon: Er ist einer, der lieber tut, als darüber zu sprechen. So erscheinen vier bis fünf Compilations pro Jahr. Nicht mit den »super raren Sachen«, sondern mit »Hits«, wie Samy sagt. Schließlich gebe es davon noch viele. Die Musik sei auch schon gefunden. Nur die Geschichte, die müsse er noch erzählen.