Label Watch: Mangel Records

22.02.2024
Das junge Berliner Platten- und Kassetten-Label steht für Marke-Eigenbau-Ästhetik und Punk-Attitude. Dass DIY-Konzepte keineswegs einen Mangel an Qualität bedeuten, beweist das Label auf höchstem Niveau.

Nischig, rotzig, hochwertig, DIY: So präsentiert sich das Berliner Label Mangel Records. Dahinter steckt ein junges, harmonisches Quartett: Anne Sophie Lohmann, Denes Bieberich, Martin Leibelt und Oskar Militzer. Seit der Gründung im Jahr 2020 hat Mangel Records mehr als 30 Veröffentlichungen von aufstrebenden Synth-Punk- und Grunge-Bands wie Die Verlierer oder Das Kinn veröffentlicht, zuletzt kamen die Minimal-Wave-Veröffentlichung von Klapper sowie Giulio Erasmus mit seinem jüngsten Postpunk-/Dub-Wave-Album hinzu.

Mangel hat seine Wurzeln im Kollektiv Flennen. Flennen ist ein Zusammenschluss junger Musiker:innen, die seit zehn Jahren gemeinsam Konzerte organisieren, jammen und Soli-Compilations aufnehmen. Das Plattenlabel ging dann aus einem bestimmten Grund daraus hervor: Eigentlich wollten die vier mit ihrer Band LIIEK auf Vinyl-7”s setzen. Doch das Label, bei dem sie normalerweise veröffentlichten, hatte finanzielle Bedenken. Trotzdem wollte man nicht vom ursprünglichen Plan abweichen. Eine Publikation mit Flennen kam nicht in Frage, da die Vorfinanzierung der Releases durch das Kollektiv zu lange ungeklärt blieb. So beschlossen die vier kurzerhand, ein eigenes Label zu gründen. Auf die Frage, was es mit dem Namen Mangel auf sich hat, antwortet sie mit einem trockenen Lachen: »Es mangelt an allem«. 

»Wenn man es selbst macht, kann man auch mal Quatsch draufpacken«.

Mangel Records

Abgesehen von LIIEK sind die vier auch in anderen Musikprojekten aktiv, die immer zahlreicher werden. Warum sich ständig neue Bands gründen, können die vier selbst nicht genau erklären. Manchmal entstehe ein neues Projekt einfach aus der Lust heraus, das Instrument zu wechseln. So bilden Bieberich und Lohmann das Minimal-Synth-Duo Ostseetraum sowie das Home-Recording-Projekt Klapper, und neben LIIEK spielen alle vier auch in der Post-Punk-Band Pigeon. Dass sie nicht nur beruflich, sondern auch musikalisch eine untrennbare Einheit bilden, verwundert angesichts ihrer langjährigen Freundschaft nicht. Das Zusammenspiel der vier ist so harmonisch und vertraut, dass einfach alles passt – an dieser Stelle kein Mangel.

Obwohl Mangel Records mit einer Vinyl-7″ startete und auch heute noch gerne auf dieses Format setzt, ist es dabei nicht geblieben. Bands wie Noj, The Abdomen und Crime of Passing haben dort inzwischen auch Longplayer und Tapes veröffentlicht. Richtig, Tapes sind wieder in. Obwohl sie nie wirklich weg waren. Vor allem nicht bei der Mangel-Truppe. Im Studio, zu Hause, überall dort, wo es eine Achtspur-Bandmaschine oder ein Doppel-Tape-Deck gibt, überspielen sie die über das Label veröffentlichten Tapes kurzerhand selbst und in Echtzeit. Das ist zwar zeitaufwendig, aber die Kassetten passen klanglich perfekt zu ihren Veröffentlichungen und stehen für ihren DIY-Gedanken, der auch bedeutet, sich selbst nicht immer so ernst zu nehmen: »Wenn man es selbst macht, kann man auch mal Quatsch draufpacken«, erzählen die vier, wie sie damals mit Flennen eine Kassette veröffentlichten, auf der sie zwischen jedem Song ein Schweinegrunzen einbauten. Wichtig ist ihnen aber vor allem, dass sie ihre Tonträger so regional und hochwertig wie möglich pressen oder produzieren lassen.

Immer den »kleinen Punker« im Kopf

Eine definierte Veröffentlichungspolitik gibt es nicht, die Grundsätze sind einfach: Es soll allen gefallen und zum Label passen. Manchmal erhalten sie »Anfragen, die einfach ›zu professionell‹ sind«, erklären sie. Natürlich stehe die Qualität an erster Stelle, aber ein bisschen provokant dürfe es schon sein. Hochglanz-Presskits widersprechen der Philosophie von Mangel Records, die konsequent auf das DIY-Prinzip setzen und kein Interesse daran haben, aus ihrer Arbeit ein Geschäft zu machen: »Alle großen Labels sind ähnlich, egal ob Techno oder Indie. Die haben ihre Kataloge, wie was gemacht werden muss. Bei uns ist das nicht so. Bei uns ist der Katalog eher: Das muss cool aussehen, wir veröffentlichen auf Bandcamp und unserer Website und schreiben Newsletter«. Aus diesem Grund verzichtet das Label auch bewusst darauf, auf Streaming-Plattformen wie Spotify zu veröffentlichen.


Erschwingliche Promo-Konzerte werden dagegen gerne veranstaltet. Wichtig sei vor allem, »dass auch der kleine Punker reinkommt, der nicht viel Geld zur Verfügung hat«. Zum Glück klappt das ganz gut, weil sie immer auf die Unterstützung aus dem Freundeskreis zählen können und so kostenlose Hilfe beim Einlass, beim Sound oder bei den Artworks bekommen, erklären sie.

So sehr Mangel Records ein Label für Schallplatten und Kassetten ist, so sehr sind auch Konzerte ein wichtiger Bestandteil ihrer Arbeit. In der genreübergreifenden Berliner Undergroundszene konnten sie sich mit ihrer Musik schnell etablieren. Doch was macht den Reiz aus? Natürlich gute Musik, aber vielleicht auch ein kulturelles Phänomen, vermuten die vier. Punk war schon immer Ausdruck von Rebellion, eine Gegenbewegung, die gleichzeitig ein harmonisches Gemeinschaftsgefühl erzeugt. Fragt man Anne Sophie, Denes, Martin und Oskar nach konkreten Zielen für die Zukunft ihres Labels, sind sie sich einig: keine. Sie wollen einfach so weitermachen wie bisher: Nischig, rotzig, hochwertig, DIY.