Review

Argonautiks

Trauben über Gold

Walk This Way • 2020

Vergilbter Beton unter grauem Himmel, ein bisschen Eskapismus zwischen den Lippen, kaum dran gezogen schon wird im Keller der Alltag taxiert – Timmy Tales und Paul Uschta haben wieder genug gesehen, um das nächste Album damit zu füllen. Part drei in der Argonautiks-Sage folgt weiter dem Prinzip »Musik durch Frust«, das den Teltower Teilzeitnihilisten so locker wie niemandem im zeitgenössischen Deutschrap von der Hand geht. Scharf gelayerte Sozialkritik klatscht in den zwölf Tracks von »Trauben über Gold« erneut auf minimalistische Beats aus Donnie Bombays Kopf, die Texte problemlos sezierbar bis zwischen ihre Zeilen. Untergrund verstanden als Solidarität mit denen, die ganz unten angekommen sind? Schon auf der Debüt-EP »Glasige Augen« vor mittlerweile zehn Jahren kackten Argonautiks über diese Schiene der Industrie gehörig aufs Haupt, kehrten dann nach langem Bruch 2017 mit Geschichten »Aus dem Leben« und ein Jahr später auf »Gaffa« zurück – seitdem sprießen die Ideen wie Wein. Wieder darf sich Hip-Hop hierzulande nun über gut gereifte Tracks á la »Kaputte Reeboks« oder »Plan B«, aber auch Features mit Kuchenmann (»Mond«) und Frust (»OK«) freuen, in denen binnen weniger Minuten lyrische Levels durchgezockt werden, die rappende Immobilienmakler auch im Benz bis zur Rente nicht erreichen. Sorglos ist anders – ignorant aber auch. »Schlaue Menschen haben viel’ Probleme, ich habe viel’ Probleme // komm’ aus Brandenburg, kann dir nicht so viel erzählen // Gute Bildung aber schiefe Zähne // Leben im Loop mit einer tiefen Seele«. Auf diesem Album prägt reduziertes Sampling die 20Hz-Grundierung, ist alles irgendwie Zeugnis einer tristen Gegenwart in Sepia. Gute Laune? Äh äh. Hier ist Kool Savas ebenso hörbar wie Earl Sweatshirt die Arbeit als Tischler oder am Fließband mindestens so prägend wie die als MC und Produzent. Ohne Ghettokitsch ziehen Argonautiks mit »Trauben über Gold« weiterhin schmerzhaft nah am Status Quo ihre Kreise vom Persönlichen zum Gesellschaftlichen – und lassen sich dabei genug Luft nach oben.