Review

Charlotte de Witte

Rave On Time

KNTXT • 2020

Charlotte de Witte begann ihre Karriere als DJ für Bigroom-Electro und erlebte ihren Erweckungsmoment mit dem staubig groovendem Techno von Len Faki. Ihr eigener Output wandelt auf dem schmalen Grat zwischen diesen beiden Polen: Es ist Musik, die in Headliner-Sets beim Tomorrowland genauso funktioniert wie sie auf dem Berghain-Floor nicht weiter auffallen würde – auch wenn stramme Berghainis das sicherlich bestreiten würden. Mit »Rave On Time« veröffentlicht die Belgierin ihre mittlerweile zweite Solo-EP auf dem eigenen Imprint KNTXT und liefert damit den Soundtrack zur Unzeit ab. Schon der von klassischem Trance und Acid Techno inspirierte Titeltrack ist mit seinem psychotischen Stimmsamples und kreischenden Hoover-Sound-Anleihen eindeutig für die Peak Time und nicht für die heimische Quarantäne geeignet. »There’s No One Left To Trust« ist noch spartanischer arrangiert und weist eindeutigen Tool-Charakter auf, während »The World Inside« nur qua Titel den globalen Umständen Tribut zollt und die Auseinandersetzung mit althergebrachten Neunziger-Rave-Tropen weiter ausformuliert, wie es auch die Spielereien mit Vocal-Versatzstücken fortführt. Und wäre es nicht für den choralen Breakdown von »Common Era«, wäre dieser Track völlig ununterscheidbar von seinem Vorgänger. »Rave On Time« ist eine Etüde in Emmanuel-Top-ismen, die durch den sweet spot zwischen Bigroom und Keller-Rave manövriert, sich dabei nur dezente Experimente erlaubt und letztlich alten Wein in neue Schläuche füllt. Solides Handwerk, keine Kunst – und damit Techno in Reinform. Auch wenn Techno-Heads das sicherlich bestreiten würden.