Review Rock

Cindytalk

Camouflage Heart

Dais • 1984

Es ist das Jahr 1984, als die amerikanische Musik- und Kulturkritikerin Ellen Willis in einem Essay für die Zeitschrift Social Text schreibt: »Die sexuelle Revolution hat den Griff der konservativen Sexualmoral gelockert, aber nicht grundsätzlich ihre psychischen Grundlagen geändert«. Nach ihrem Verständnis waren es internalisierte maskuline und feminine Geschlechterrollen, die das Verhaltensrepertoire limitieren und Subjekte damit unterdrücken. Diese Auffassung bahnte sich auch in Europa ihren Weg. Im selben Jahr erschien auf dem britischen Label Midnight Music Camouflage Heart, das Debüt von Cindytalk – und darauf schien sich die Band um den schottischen Musiker Gordon Sharp genau solche psychischen Grundlagen vorgeknöpft zu haben.

Sharp hatte zuvor mit David Clancy in Edinburgh in der Punk-Band The Freeze gespielt. Gleichzeitig mit dem Umzug nach London suchten die beiden in ihrer Musik einen neuen, eigenen Ort. Für Sharp bedeutete das auch die Suche nach der eigenen Geschlechtsidentität. 1982 gründeten die beiden Cindytalk: Der Bandname spielt auf das damalige Barbie-Pendant Sindy an. Sharp nannte sich ab sofort Cinder und trat in Kleidern auf. Aber vor allem seine/ihre Stimme – die einigen vom Album It’ll End in Tears von This Mortal Coil bekannt sein dürfte – drückt eine besondere, a-geschlechtliche Verzweiflung aus, die klischeehafte heteronormative Erlebniswelten übersteigt.

So schaffte Camouflage Heart tatsächlich einen eigenen musikalischen Ort der existenziellen Ernüchterung; unabhängig von der Ernüchterung, die durch soziale Normen begrenzt ist. Und dieser Ort ist irgendwo zwischen Post-Punk und Noise. Mit gepressten Vocals, schneidenden Gitarren und Perkussions-Elementen, die sich zwischen kraftstrotzenden Schlägen und Geräuschen wie dem Kratzen auf einer Blechwanne bewegen. So ostentativ düster die Musik daherkommt, so wenig unterscheidet sie im Subtext zwischen Schwarz und Weiß. Jetzt hat das US-Label Dais die Platte neu aufgelegt. Camouflage Heart steht für die unbedingt nötige gesellschaftspolitische Wirkmacht von Musik und passt damit auch erschreckend gut ins Heute.

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