Um die Jahrtausendwende schrieb ein kluger Musikjournalist, der Output von Radiohead klinge wie die zusammengekehrten Überreste einer Fabrik. Wenn dem so wäre, dann ergeben die neun Tracks auf Cantor’s Paradise von DJ Trystero den vergessenen Traum dieser Fabrik. (Und um den Radiohead-Vergleich gleich loszuwerden: Diese Fabrik steht nicht einmal im gleichen Industriegebiet.)
Die Klänge dieser Platte zeichnen mit feinen, gestrichelten Linien nach, was einmal gewesen ist. Der in Tokio ansässige Künstler verbindet Minimal Techno, Ambient und Dub zu einer Architektur des Vergessenen. Entsprechend diesem Ansatz trägt keiner der Tracks einen Titel. Das wirkt nicht mysteriös, sondern schlichtweg folgerichtig.
Cantor’s Paradise beginnt noch gegenständlich – mit Rhythmen, Effekten, Strukturen. Doch spätestens im achten Stück zirpen bereits die Grillen, während der Rest wie ein verzogenes Gewitter klingt. Dass sich all das nie beliebig anfühlt, liegt an der atmosphärischen Stringenz des Albums. Diese Musik will nicht ausweglos sein. Vielmehr wohnt ihr etwas inne, das nach dem Vergessen kommt – Sprachlosigkeit. (Daher keine Titel.) Und danach: die alles verschluckende Stille. Ein Verzeichnis aus neun dunklen, feinen, kleinen Widerständen dagegen. Einer der spannendsten Träume dieser Tage – in denen man sich wunderbar verirren kann.

Cantor's Paradise